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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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schen, und fast sein Vater für Einfalt nehmen, die
aber höhere Menschen, so bald sie in Gesellschaft
eines nicht stieren sondern überfüllten schwärmeri¬
schen Auges wie bei ihm erscheint, für das Ordens¬
kreuz ihres Ordensbruders halten. Gleichwohl be¬
reuten es seine Eltern acht Tage darauf, nicht,
ihn eingesperrt, sondern ihn hinausgelassen zu
haben.

Die Obristforstmeisterin von Knör und ein Fas¬
zikel Hernhuter und Hernhuterinnen waren mit
ihr gekommen, den Eleven des Grabes zu hören:
ein Grummetschober alter Fräulein hatte schon vier
Wochen vorher eingesprochen, und jetzt wieder, um
nur ein solches Wunderkind ansichtig zu werden.
Die hernhutischen Brüder waren lebhaft und frei
mit Anstand; die Schwestern mauerten sich sämt¬
lich um eine Standuhr, deren Gehäuse mit Engeln
als mit Hornisten bordiret war -- sie waren von
den Hornisten nicht wegzubringen. Beizubringen
war ihnen auch nichts; Maul und Augen machten
sie auch nicht auf, und der Rittmeister wurde schwarz
vor verhaltenem Aerger. Endlich tipte die Lippe
Einer Schwester an ein Weinglas, die andern tip¬
ten nach -- so viel die eine vom Gebacknen abknick¬

E

ſchen, und faſt ſein Vater fuͤr Einfalt nehmen, die
aber hoͤhere Menſchen, ſo bald ſie in Geſellſchaft
eines nicht ſtieren ſondern uͤberfuͤllten ſchwaͤrmeri¬
ſchen Auges wie bei ihm erſcheint, fuͤr das Ordens¬
kreuz ihres Ordensbruders halten. Gleichwohl be¬
reuten es ſeine Eltern acht Tage darauf, nicht,
ihn eingeſperrt, ſondern ihn hinausgelaſſen zu
haben.

Die Obriſtforſtmeiſterin von Knoͤr und ein Faſ¬
zikel Hernhuter und Hernhuterinnen waren mit
ihr gekommen, den Eleven des Grabes zu hoͤren:
ein Grummetſchober alter Fraͤulein hatte ſchon vier
Wochen vorher eingeſprochen, und jetzt wieder, um
nur ein ſolches Wunderkind anſichtig zu werden.
Die hernhutiſchen Bruͤder waren lebhaft und frei
mit Anſtand; die Schweſtern mauerten ſich ſaͤmt¬
lich um eine Standuhr, deren Gehaͤuſe mit Engeln
als mit Horniſten bordiret war — ſie waren von
den Horniſten nicht wegzubringen. Beizubringen
war ihnen auch nichts; Maul und Augen machten
ſie auch nicht auf, und der Rittmeiſter wurde ſchwarz
vor verhaltenem Aerger. Endlich tipte die Lippe
Einer Schweſter an ein Weinglas, die andern tip¬
ten nach — ſo viel die eine vom Gebacknen abknick¬

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[65/0101] ſchen, und faſt ſein Vater fuͤr Einfalt nehmen, die aber hoͤhere Menſchen, ſo bald ſie in Geſellſchaft eines nicht ſtieren ſondern uͤberfuͤllten ſchwaͤrmeri¬ ſchen Auges wie bei ihm erſcheint, fuͤr das Ordens¬ kreuz ihres Ordensbruders halten. Gleichwohl be¬ reuten es ſeine Eltern acht Tage darauf, nicht, ihn eingeſperrt, ſondern ihn hinausgelaſſen zu haben. Die Obriſtforſtmeiſterin von Knoͤr und ein Faſ¬ zikel Hernhuter und Hernhuterinnen waren mit ihr gekommen, den Eleven des Grabes zu hoͤren: ein Grummetſchober alter Fraͤulein hatte ſchon vier Wochen vorher eingeſprochen, und jetzt wieder, um nur ein ſolches Wunderkind anſichtig zu werden. Die hernhutiſchen Bruͤder waren lebhaft und frei mit Anſtand; die Schweſtern mauerten ſich ſaͤmt¬ lich um eine Standuhr, deren Gehaͤuſe mit Engeln als mit Horniſten bordiret war — ſie waren von den Horniſten nicht wegzubringen. Beizubringen war ihnen auch nichts; Maul und Augen machten ſie auch nicht auf, und der Rittmeiſter wurde ſchwarz vor verhaltenem Aerger. Endlich tipte die Lippe Einer Schweſter an ein Weinglas, die andern tip¬ ten nach — ſo viel die eine vom Gebacknen abknick¬ E

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/101>, abgerufen am 21.11.2024.