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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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hinüber und herüber zwischen dem Lamme, dem
hellen Blumengrund mit der Schatten-Landspitze
und zwischen dem magischen Gesichte der Regina
und braucht nirgends wegzublicken.

Warum sagt' ich ein magisches Gesicht, da
es ein altägliches war? -- weil mein kleiner Apollo
und Schaafhirt mit trinkenden Augen auf dieses
Gesicht wie auf eine Blume flog. Unter einer
Hirnschaale wie seiner, zu der den ganzen Tag
die weiße Flamme der Phantasie, und kein blaues
Brandtewein-Flämmgen des Phlegma, auffackelte,
muste jedes weibliche Gesicht mit vergüldeten Rei¬
zen in Götterfarbe und nicht in Todtenfarbe da¬
stehen. Alle Schönen hatten bei ihm den Vortheil
noch, daß er sie nicht seit 10 Jahren sondern seit
10 Tagen sah. Indessen ist das nicht seine erste
Liebe, sondern nur ein Präliminar-Rezeß, eine
Ouverture, ein Protevangelium irgend einer er¬
sten Liebe, mehr nicht.

Zwei ganze Wochen trieb er sein Lamm auf
die Weide, eh' sein Muth so weit stieg, daß er
-- nicht sich neben ihr Strickzeug hinsetzte, das
überstieg Menschenkräfte, sondern nur daß er --
das Schaaf an seinem postillon d'amour fest hielt,

hinuͤber und heruͤber zwiſchen dem Lamme, dem
hellen Blumengrund mit der Schatten-Landſpitze
und zwiſchen dem magiſchen Geſichte der Regina
und braucht nirgends wegzublicken.

Warum ſagt' ich ein magiſches Geſicht, da
es ein altaͤgliches war? — weil mein kleiner Apollo
und Schaafhirt mit trinkenden Augen auf dieſes
Geſicht wie auf eine Blume flog. Unter einer
Hirnſchaale wie ſeiner, zu der den ganzen Tag
die weiße Flamme der Phantaſie, und kein blaues
Brandtewein-Flaͤmmgen des Phlegma, auffackelte,
muſte jedes weibliche Geſicht mit verguͤldeten Rei¬
zen in Goͤtterfarbe und nicht in Todtenfarbe da¬
ſtehen. Alle Schoͤnen hatten bei ihm den Vortheil
noch, daß er ſie nicht ſeit 10 Jahren ſondern ſeit
10 Tagen ſah. Indeſſen iſt das nicht ſeine erſte
Liebe, ſondern nur ein Praͤliminar-Rezeß, eine
Ouverture, ein Protevangelium irgend einer er¬
ſten Liebe, mehr nicht.

Zwei ganze Wochen trieb er ſein Lamm auf
die Weide, eh' ſein Muth ſo weit ſtieg, daß er
— nicht ſich neben ihr Strickzeug hinſetzte, das
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das Schaaf an ſeinem poſtillon d'amour feſt hielt,

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[90/0126] hinuͤber und heruͤber zwiſchen dem Lamme, dem hellen Blumengrund mit der Schatten-Landſpitze und zwiſchen dem magiſchen Geſichte der Regina und braucht nirgends wegzublicken. Warum ſagt' ich ein magiſches Geſicht, da es ein altaͤgliches war? — weil mein kleiner Apollo und Schaafhirt mit trinkenden Augen auf dieſes Geſicht wie auf eine Blume flog. Unter einer Hirnſchaale wie ſeiner, zu der den ganzen Tag die weiße Flamme der Phantaſie, und kein blaues Brandtewein-Flaͤmmgen des Phlegma, auffackelte, muſte jedes weibliche Geſicht mit verguͤldeten Rei¬ zen in Goͤtterfarbe und nicht in Todtenfarbe da¬ ſtehen. Alle Schoͤnen hatten bei ihm den Vortheil noch, daß er ſie nicht ſeit 10 Jahren ſondern ſeit 10 Tagen ſah. Indeſſen iſt das nicht ſeine erſte Liebe, ſondern nur ein Praͤliminar-Rezeß, eine Ouverture, ein Protevangelium irgend einer er¬ ſten Liebe, mehr nicht. Zwei ganze Wochen trieb er ſein Lamm auf die Weide, eh' ſein Muth ſo weit ſtieg, daß er — nicht ſich neben ihr Strickzeug hinſetzte, das uͤberſtieg Menſchenkraͤfte, ſondern nur daß er — das Schaaf an ſeinem poſtillon d'amour feſt hielt,

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/126>, abgerufen am 21.11.2024.