dem Blut zusammenrinnt. "Ich hab's doch nicht "hingestellt" sagt' er -- "ja ja! und hast mir nichts "gesagt" versetzte der Blinde und stieß ihn wieder, aber heftiger und doch weniger zornig -- "schlag "immer, ich hab' dir nichts gethan" und die Stim¬ me brach meinem guten Helden -- jener schlug wieder nach und sagte: "ich bin dir auch gar nim¬ "mer gut," aber so, als würd' er sogleich zu wei¬ nen anfangen, -- "ach du hast dir gewiß was nein¬ "gefallen" fragte Gustav mit der mitleidigsten Stimme -- mitten im Versuch zu einem neuen Stoße glitt die dünne Eisrinde vom erwärmten Her¬ zen Amandus herunter, er umfaßte den Unschuldi¬ gen und sagte unter hellen Zähren: "du hast's ja nicht gethan und ich geb' dir all' meine Spielwaa¬ re: schlag mich doch recht" und schlug sich selbst. -- -- Blos die Empfindung der Liebe kämpft mit solchen bittersüßen Sonderbarkeiten: Amandus ge¬ stand oft, noch jetzt wandle ihn, wenn er einen Unrecht gethan, mitten in seiner Kränkung darü¬ ber die Neigung an, fort zu beleidigen, um sich selber so weit fort zu kränken, daß er endlich vor Schmerz sich mit der heissesten Liebe ans versehrte fremde Herz werfen müßte. Aber o lieber Aman¬
dem Blut zuſammenrinnt. „Ich hab's doch nicht „hingeſtellt“ ſagt' er — „ja ja! und haſt mir nichts „geſagt“ verſetzte der Blinde und ſtieß ihn wieder, aber heftiger und doch weniger zornig — „ſchlag „immer, ich hab' dir nichts gethan“ und die Stim¬ me brach meinem guten Helden — jener ſchlug wieder nach und ſagte: „ich bin dir auch gar nim¬ „mer gut,“ aber ſo, als wuͤrd' er ſogleich zu wei¬ nen anfangen, — „ach du haſt dir gewiß was nein¬ „gefallen“ fragte Guſtav mit der mitleidigſten Stimme — mitten im Verſuch zu einem neuen Stoße glitt die duͤnne Eisrinde vom erwaͤrmten Her¬ zen Amandus herunter, er umfaßte den Unſchuldi¬ gen und ſagte unter hellen Zaͤhren: „du haſt's ja nicht gethan und ich geb' dir all' meine Spielwaa¬ re: ſchlag mich doch recht“ und ſchlug ſich ſelbſt. — — Blos die Empfindung der Liebe kaͤmpft mit ſolchen bitterſuͤßen Sonderbarkeiten: Amandus ge¬ ſtand oft, noch jetzt wandle ihn, wenn er einen Unrecht gethan, mitten in ſeiner Kraͤnkung daruͤ¬ ber die Neigung an, fort zu beleidigen, um ſich ſelber ſo weit fort zu kraͤnken, daß er endlich vor Schmerz ſich mit der heiſſeſten Liebe ans verſehrte fremde Herz werfen muͤßte. Aber o lieber Aman¬
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dem Blut zuſammenrinnt. „Ich hab's doch nicht
„hingeſtellt“ ſagt' er — „ja ja! und haſt mir nichts
„geſagt“ verſetzte der Blinde und ſtieß ihn wieder,
aber heftiger und doch weniger zornig — „ſchlag
„immer, ich hab' dir nichts gethan“ und die Stim¬
me brach meinem guten Helden — jener ſchlug
wieder nach und ſagte: „ich bin dir auch gar nim¬
„mer gut,“ aber ſo, als wuͤrd' er ſogleich zu wei¬
nen anfangen, — „ach du haſt dir gewiß was nein¬
„gefallen“ fragte Guſtav mit der mitleidigſten
Stimme — mitten im Verſuch zu einem neuen
Stoße glitt die duͤnne Eisrinde vom erwaͤrmten Her¬
zen Amandus herunter, er umfaßte den Unſchuldi¬
gen und ſagte unter hellen Zaͤhren: „du haſt's ja
nicht gethan und ich geb' dir all' meine Spielwaa¬
re: ſchlag mich doch recht“ und ſchlug ſich ſelbſt.
— — Blos die Empfindung der Liebe kaͤmpft mit
ſolchen bitterſuͤßen Sonderbarkeiten: Amandus ge¬
ſtand oft, noch jetzt wandle ihn, wenn er einen
Unrecht gethan, mitten in ſeiner Kraͤnkung daruͤ¬
ber die Neigung an, fort zu beleidigen, um ſich
ſelber ſo weit fort zu kraͤnken, daß er endlich vor
Schmerz ſich mit der heiſſeſten Liebe ans verſehrte
fremde Herz werfen muͤßte. Aber o lieber Aman¬
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/176>, abgerufen am 21.11.2024.
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