Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite
Extrablatt.

Warum ich meinem Gustav Witz und verdorbne Autores zu¬
lasse und klassische verbiete, ich meine griechische und römische?


Ich muß vorher mit drei Worten oder Seiten be¬
weisen, daß und warum das Studium der Alten
niedersinke und daß es zweitens wenig verschlage.

Wir sind bekanntlich jezt aus den Linguisten-
Jahrhunderten heraus, wo nichts als die lateini¬
sche Sprache an Altären, auf Kanzeln, auf dem
Papier und im Kopfe war und wo sie alle gelehrte
Schlafröcke und Schlafmützen von Ireland bis Si¬
zilien in einen Bund zusammenknüpfte, wo sie die
Staatssprache und oft die Konversationssprache der
Großen war, wo man kein Gelehrter seyn konnte
ohne einen Auktionskatalog alles römischen und
griechischen Hausraths und einen Küchen- und
Waschzettel dieser klassischen Leute im Kopfe zu füh¬
ren. Jezt ist unser Latein deutsch gegen das eines
Camerarius, ders also nicht nöthig gehabt
hätte, seinen schmalkaldischen Krieg griechisch abzu¬
fassen; jezt wird selten eine Predigt lateinisch, ge¬

Extrablatt.

Warum ich meinem Guſtav Witz und verdorbne Autores zu¬
laſſe und klaſſiſche verbiete, ich meine griechiſche und römiſche?


Ich muß vorher mit drei Worten oder Seiten be¬
weiſen, daß und warum das Studium der Alten
niederſinke und daß es zweitens wenig verſchlage.

Wir ſind bekanntlich jezt aus den Linguiſten-
Jahrhunderten heraus, wo nichts als die lateini¬
ſche Sprache an Altaͤren, auf Kanzeln, auf dem
Papier und im Kopfe war und wo ſie alle gelehrte
Schlafroͤcke und Schlafmuͤtzen von Ireland bis Si¬
zilien in einen Bund zuſammenknuͤpfte, wo ſie die
Staatsſprache und oft die Konverſationsſprache der
Großen war, wo man kein Gelehrter ſeyn konnte
ohne einen Auktionskatalog alles roͤmiſchen und
griechiſchen Hausraths und einen Kuͤchen- und
Waſchzettel dieſer klaſſiſchen Leute im Kopfe zu fuͤh¬
ren. Jezt iſt unſer Latein deutſch gegen das eines
Camerarius, ders alſo nicht noͤthig gehabt
haͤtte, ſeinen ſchmalkaldiſchen Krieg griechiſch abzu¬
faſſen; jezt wird ſelten eine Predigt lateiniſch, ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0226" n="190"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Extrablatt.</hi><lb/>
          </head>
          <argument>
            <p rendition="#c">Warum ich meinem Gu&#x017F;tav Witz und verdorbne Autores zu¬<lb/>
la&#x017F;&#x017F;e und kla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che verbiete, ich meine griechi&#x017F;che und römi&#x017F;che?</p>
          </argument><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p><hi rendition="#in">I</hi>ch muß vorher mit drei Worten oder Seiten be¬<lb/>
wei&#x017F;en, daß und warum das Studium der Alten<lb/>
nieder&#x017F;inke und daß es zweitens wenig ver&#x017F;chlage.</p><lb/>
          <p>Wir &#x017F;ind bekanntlich jezt aus den Lingui&#x017F;ten-<lb/>
Jahrhunderten heraus, wo nichts als die lateini¬<lb/>
&#x017F;che Sprache an Alta&#x0364;ren, auf Kanzeln, auf dem<lb/>
Papier und im Kopfe war und wo &#x017F;ie alle gelehrte<lb/>
Schlafro&#x0364;cke und Schlafmu&#x0364;tzen von Ireland bis Si¬<lb/>
zilien in einen Bund zu&#x017F;ammenknu&#x0364;pfte, wo &#x017F;ie die<lb/>
Staats&#x017F;prache und oft die Konver&#x017F;ations&#x017F;prache der<lb/>
Großen war, wo man kein Gelehrter &#x017F;eyn konnte<lb/>
ohne einen Auktionskatalog alles ro&#x0364;mi&#x017F;chen und<lb/>
griechi&#x017F;chen Hausraths und einen Ku&#x0364;chen- und<lb/>
Wa&#x017F;chzettel die&#x017F;er kla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Leute im Kopfe zu fu&#x0364;<lb/>
ren. Jezt i&#x017F;t un&#x017F;er Latein deut&#x017F;ch gegen das eines<lb/><hi rendition="#aq">Camerarius</hi>, ders al&#x017F;o nicht no&#x0364;thig gehabt<lb/>
ha&#x0364;tte, &#x017F;einen &#x017F;chmalkaldi&#x017F;chen Krieg griechi&#x017F;ch abzu¬<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;en; jezt wird &#x017F;elten eine Predigt lateini&#x017F;ch, ge¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0226] Extrablatt. Warum ich meinem Guſtav Witz und verdorbne Autores zu¬ laſſe und klaſſiſche verbiete, ich meine griechiſche und römiſche? Ich muß vorher mit drei Worten oder Seiten be¬ weiſen, daß und warum das Studium der Alten niederſinke und daß es zweitens wenig verſchlage. Wir ſind bekanntlich jezt aus den Linguiſten- Jahrhunderten heraus, wo nichts als die lateini¬ ſche Sprache an Altaͤren, auf Kanzeln, auf dem Papier und im Kopfe war und wo ſie alle gelehrte Schlafroͤcke und Schlafmuͤtzen von Ireland bis Si¬ zilien in einen Bund zuſammenknuͤpfte, wo ſie die Staatsſprache und oft die Konverſationsſprache der Großen war, wo man kein Gelehrter ſeyn konnte ohne einen Auktionskatalog alles roͤmiſchen und griechiſchen Hausraths und einen Kuͤchen- und Waſchzettel dieſer klaſſiſchen Leute im Kopfe zu fuͤh¬ ren. Jezt iſt unſer Latein deutſch gegen das eines Camerarius, ders alſo nicht noͤthig gehabt haͤtte, ſeinen ſchmalkaldiſchen Krieg griechiſch abzu¬ faſſen; jezt wird ſelten eine Predigt lateiniſch, ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/226
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/226>, abgerufen am 18.12.2024.