hen weiß, d. h. der sich in Kinder schicken kann, so sehr schlimm unmöglich fahren als andre, wenn er -- heirathet.
Da der Tadel allezeit das Ehrgefühl des Kin¬ des versehrt: so unterdrückt' ich ihn, um meine Kollegen in der Runde durch das Beispiel zu leh¬ ren, daß das Ehrgefühl, das unsere Tage nicht genug erziehen, das Beste im Menschen sei -- daß alle andre Gefühle, selbst die edelsten, ihn in Stun¬ den aus ihren Armen fallen lassen, wo ihn das Ehrgefühl in seinen emporhält -- daß unter den Menschen, deren Grundsätze schweigen und deren Leidenschaften in einander schreien, bloß ihr Ehrge¬ fühl dem Freunde, dem Gläubiger und der Gelieb¬ ten eine eiserne Sicherheit verleihe.
Sieben Tage früher als recht war, kommuni¬ cirte mein Gustav: denn das Konsistorium -- die Nehme der Pfarrherrn, die Pönitenziaria der Ge¬ meinden und die Widerlage der Regierung -- schick¬ te uns mit Vergnügen als eine geistige Fastendis¬ pensation oder venia aetatis diese sieben Tage, um die sein Kommunion-Alter zu leicht war, für eben so viel Gulden geschenkt aufs Schloß heraus. Mein Eleve mußte also -- der geschickteste Religionsleh¬
hen weiß, d. h. der ſich in Kinder ſchicken kann, ſo ſehr ſchlimm unmoͤglich fahren als andre, wenn er — heirathet.
Da der Tadel allezeit das Ehrgefuͤhl des Kin¬ des verſehrt: ſo unterdruͤckt' ich ihn, um meine Kollegen in der Runde durch das Beiſpiel zu leh¬ ren, daß das Ehrgefuͤhl, das unſere Tage nicht genug erziehen, das Beſte im Menſchen ſei — daß alle andre Gefuͤhle, ſelbſt die edelſten, ihn in Stun¬ den aus ihren Armen fallen laſſen, wo ihn das Ehrgefuͤhl in ſeinen emporhaͤlt — daß unter den Menſchen, deren Grundſaͤtze ſchweigen und deren Leidenſchaften in einander ſchreien, bloß ihr Ehrge¬ fuͤhl dem Freunde, dem Glaͤubiger und der Gelieb¬ ten eine eiſerne Sicherheit verleihe.
Sieben Tage fruͤher als recht war, kommuni¬ cirte mein Guſtav: denn das Konſiſtorium — die Nehme der Pfarrherrn, die Poͤnitenziaria der Ge¬ meinden und die Widerlage der Regierung — ſchick¬ te uns mit Vergnuͤgen als eine geiſtige Faſtendiſ¬ penſation oder venia aetatis dieſe ſieben Tage, um die ſein Kommunion-Alter zu leicht war, fuͤr eben ſo viel Gulden geſchenkt aufs Schloß heraus. Mein Eleve mußte alſo — der geſchickteſte Religionsleh¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0241"n="205"/>
hen weiß, d. h. der ſich in Kinder ſchicken kann,<lb/>ſo ſehr ſchlimm unmoͤglich fahren als andre, wenn<lb/>
er — heirathet.</p><lb/><p>Da der Tadel allezeit das Ehrgefuͤhl des Kin¬<lb/>
des verſehrt: ſo unterdruͤckt' ich ihn, um meine<lb/>
Kollegen in der Runde durch das Beiſpiel zu leh¬<lb/>
ren, daß das Ehrgefuͤhl, das <hirendition="#g">unſere Tage</hi> nicht<lb/>
genug erziehen, das Beſte im Menſchen ſei — daß<lb/>
alle andre Gefuͤhle, ſelbſt die edelſten, ihn in Stun¬<lb/>
den aus ihren Armen fallen laſſen, wo ihn das<lb/>
Ehrgefuͤhl in ſeinen emporhaͤlt — daß unter den<lb/>
Menſchen, deren Grundſaͤtze ſchweigen und deren<lb/>
Leidenſchaften in einander ſchreien, bloß ihr Ehrge¬<lb/>
fuͤhl dem Freunde, dem Glaͤubiger und der Gelieb¬<lb/>
ten eine eiſerne Sicherheit verleihe.</p><lb/><p>Sieben Tage fruͤher als recht war, kommuni¬<lb/>
cirte mein Guſtav: denn das Konſiſtorium — die<lb/>
Nehme der Pfarrherrn, die Poͤnitenziaria der Ge¬<lb/>
meinden und die Widerlage der Regierung —ſchick¬<lb/>
te uns mit Vergnuͤgen als eine geiſtige Faſtendiſ¬<lb/>
penſation oder <hirendition="#aq">venia aetatis</hi> dieſe ſieben Tage, um<lb/>
die ſein Kommunion-Alter zu leicht war, fuͤr eben<lb/>ſo viel Gulden geſchenkt aufs Schloß heraus. Mein<lb/>
Eleve mußte alſo — der geſchickteſte Religionsleh¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[205/0241]
hen weiß, d. h. der ſich in Kinder ſchicken kann,
ſo ſehr ſchlimm unmoͤglich fahren als andre, wenn
er — heirathet.
Da der Tadel allezeit das Ehrgefuͤhl des Kin¬
des verſehrt: ſo unterdruͤckt' ich ihn, um meine
Kollegen in der Runde durch das Beiſpiel zu leh¬
ren, daß das Ehrgefuͤhl, das unſere Tage nicht
genug erziehen, das Beſte im Menſchen ſei — daß
alle andre Gefuͤhle, ſelbſt die edelſten, ihn in Stun¬
den aus ihren Armen fallen laſſen, wo ihn das
Ehrgefuͤhl in ſeinen emporhaͤlt — daß unter den
Menſchen, deren Grundſaͤtze ſchweigen und deren
Leidenſchaften in einander ſchreien, bloß ihr Ehrge¬
fuͤhl dem Freunde, dem Glaͤubiger und der Gelieb¬
ten eine eiſerne Sicherheit verleihe.
Sieben Tage fruͤher als recht war, kommuni¬
cirte mein Guſtav: denn das Konſiſtorium — die
Nehme der Pfarrherrn, die Poͤnitenziaria der Ge¬
meinden und die Widerlage der Regierung — ſchick¬
te uns mit Vergnuͤgen als eine geiſtige Faſtendiſ¬
penſation oder venia aetatis dieſe ſieben Tage, um
die ſein Kommunion-Alter zu leicht war, fuͤr eben
ſo viel Gulden geſchenkt aufs Schloß heraus. Mein
Eleve mußte alſo — der geſchickteſte Religionsleh¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/241>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.