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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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Da indessen seine Ehre sich nach diesem Blut¬
verlust und diesen Ausleerungen schlecht auf den
Füßen erhalten konnte: so mußt' er daran denken,
ihr ein recht stärkendes Amulet, ein Ignatius-
Blech, einen Lukas- und Agathazettel umzuhän¬
gen -- ein Adelsdiplom. Sie wurde aus der
Reichshofraths-Kanzlei von Wien aus glücklich
kurirt.

Da er nicht mit seiner Frau, sondern nur mit
seinen Gläubigern Güter Gemeinschaft hatte:
beurlaubte er sich vom Kaufmannsstande mit einem
unschuldigen Falliment und rettete sich und sein rei¬
nes Gewissen und die Güter seiner Frau und seine
eigne auf seinen Landgütern, um da seinem Gott
zu dienen.

Ich meine seinen Göttern. -- Freunde hatte
übrigens der unvollkommne Karakter nicht. Sei¬
ne Begriffe von Freundschaft waren edel und hoch
und verlangten die reinste uneigennützigste Liebe
und Aufopferung vom Freunde; daher ekelten ihn
die niedrigen Tropfen um ihn an, die nicht sein
Herz sondern seinen Beutel verlangten und die ihn
bloß an sich drückten, um etwas aus ihm heraus¬
zu drücken. Er konnte einen solchen Eigennutz nicht

Da indeſſen ſeine Ehre ſich nach dieſem Blut¬
verluſt und dieſen Ausleerungen ſchlecht auf den
Fuͤßen erhalten konnte: ſo mußt' er daran denken,
ihr ein recht ſtaͤrkendes Amulet, ein Ignatius-
Blech, einen Lukas- und Agathazettel umzuhaͤn¬
gen — ein Adelsdiplom. Sie wurde aus der
Reichshofraths-Kanzlei von Wien aus gluͤcklich
kurirt.

Da er nicht mit ſeiner Frau, ſondern nur mit
ſeinen Glaͤubigern Guͤter Gemeinſchaft hatte:
beurlaubte er ſich vom Kaufmannsſtande mit einem
unſchuldigen Falliment und rettete ſich und ſein rei¬
nes Gewiſſen und die Guͤter ſeiner Frau und ſeine
eigne auf ſeinen Landguͤtern, um da ſeinem Gott
zu dienen.

Ich meine ſeinen Goͤttern. — Freunde hatte
uͤbrigens der unvollkommne Karakter nicht. Sei¬
ne Begriffe von Freundſchaft waren edel und hoch
und verlangten die reinſte uneigennuͤtzigſte Liebe
und Aufopferung vom Freunde; daher ekelten ihn
die niedrigen Tropfen um ihn an, die nicht ſein
Herz ſondern ſeinen Beutel verlangten und die ihn
bloß an ſich druͤckten, um etwas aus ihm heraus¬
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[237/0273] Da indeſſen ſeine Ehre ſich nach dieſem Blut¬ verluſt und dieſen Ausleerungen ſchlecht auf den Fuͤßen erhalten konnte: ſo mußt' er daran denken, ihr ein recht ſtaͤrkendes Amulet, ein Ignatius- Blech, einen Lukas- und Agathazettel umzuhaͤn¬ gen — ein Adelsdiplom. Sie wurde aus der Reichshofraths-Kanzlei von Wien aus gluͤcklich kurirt. Da er nicht mit ſeiner Frau, ſondern nur mit ſeinen Glaͤubigern Guͤter Gemeinſchaft hatte: beurlaubte er ſich vom Kaufmannsſtande mit einem unſchuldigen Falliment und rettete ſich und ſein rei¬ nes Gewiſſen und die Guͤter ſeiner Frau und ſeine eigne auf ſeinen Landguͤtern, um da ſeinem Gott zu dienen. Ich meine ſeinen Goͤttern. — Freunde hatte uͤbrigens der unvollkommne Karakter nicht. Sei¬ ne Begriffe von Freundſchaft waren edel und hoch und verlangten die reinſte uneigennuͤtzigſte Liebe und Aufopferung vom Freunde; daher ekelten ihn die niedrigen Tropfen um ihn an, die nicht ſein Herz ſondern ſeinen Beutel verlangten und die ihn bloß an ſich druͤckten, um etwas aus ihm heraus¬ zu druͤcken. Er konnte einen ſolchen Eigennutz nicht

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/273>, abgerufen am 03.09.2024.