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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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finden genug. Da aber auch zweitens niemand im
achtzehnten Jahrhundert seltner zu Hause war als
er -- er wars wohl, hockte aber hinter Spiegelglaß-
Fenstern wie hinter Brandtmauer und Schanzkorb,
weil sie ihm wie ein Gyges-Ring die Sichtbarkeit be¬
nehmen -- so hätt' er sich helfen und für so viele
Säugthiere eben so viele Meilen entfernt seyn kön¬
nen; aber auf der Wiese wars nicht zu machen. Ein
fröhliger Mensch, und wärs ein Geiziger, will Fröh¬
lige machen: Röper erschrack -- erstaunte -- resig¬
nirte -- und empfieng uns freudiger als wir errie¬
then. Er blieb im Geben heute, weil er einmal im
Geben war.

Denn seine Lehnleute, die heute den Verstand
verschworen hatten, sollten ihn auch vertrinken,
denn einige sauer erworbene und eben so sauer schme¬
ckende zwei Eimer hatt' er als Gefangne aus ihrem
Souterain am Krönungstage loßgelassen -- er hatte
die Fässer ihnen mit doppelter Kreide weniger an¬
geschrieben
als getünchet und leuteriert und
Fleckkugeln von Kreidenerde so lange in Hängbett¬
gen darein eingesenkt gehabt, daß das Gesöf fast
am Ende zu gut war, um verschenkt zu werden.
Der Filz sucht zu ersparen, sogar in dem er ver¬

finden genug. Da aber auch zweitens niemand im
achtzehnten Jahrhundert ſeltner zu Hauſe war als
er — er wars wohl, hockte aber hinter Spiegelglaß-
Fenſtern wie hinter Brandtmauer und Schanzkorb,
weil ſie ihm wie ein Gyges-Ring die Sichtbarkeit be¬
nehmen — ſo haͤtt' er ſich helfen und fuͤr ſo viele
Saͤugthiere eben ſo viele Meilen entfernt ſeyn koͤn¬
nen; aber auf der Wieſe wars nicht zu machen. Ein
froͤhliger Menſch, und waͤrs ein Geiziger, will Froͤh¬
lige machen: Roͤper erſchrack — erſtaunte — reſig¬
nirte — und empfieng uns freudiger als wir errie¬
then. Er blieb im Geben heute, weil er einmal im
Geben war.

Denn ſeine Lehnleute, die heute den Verſtand
verſchworen hatten, ſollten ihn auch vertrinken,
denn einige ſauer erworbene und eben ſo ſauer ſchme¬
ckende zwei Eimer hatt' er als Gefangne aus ihrem
Souterain am Kroͤnungstage loßgelaſſen — er hatte
die Faͤſſer ihnen mit doppelter Kreide weniger an¬
geſchrieben
als getuͤnchet und leuteriert und
Fleckkugeln von Kreidenerde ſo lange in Haͤngbett¬
gen darein eingeſenkt gehabt, daß das Geſoͤf faſt
am Ende zu gut war, um verſchenkt zu werden.
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[262/0298] finden genug. Da aber auch zweitens niemand im achtzehnten Jahrhundert ſeltner zu Hauſe war als er — er wars wohl, hockte aber hinter Spiegelglaß- Fenſtern wie hinter Brandtmauer und Schanzkorb, weil ſie ihm wie ein Gyges-Ring die Sichtbarkeit be¬ nehmen — ſo haͤtt' er ſich helfen und fuͤr ſo viele Saͤugthiere eben ſo viele Meilen entfernt ſeyn koͤn¬ nen; aber auf der Wieſe wars nicht zu machen. Ein froͤhliger Menſch, und waͤrs ein Geiziger, will Froͤh¬ lige machen: Roͤper erſchrack — erſtaunte — reſig¬ nirte — und empfieng uns freudiger als wir errie¬ then. Er blieb im Geben heute, weil er einmal im Geben war. Denn ſeine Lehnleute, die heute den Verſtand verſchworen hatten, ſollten ihn auch vertrinken, denn einige ſauer erworbene und eben ſo ſauer ſchme¬ ckende zwei Eimer hatt' er als Gefangne aus ihrem Souterain am Kroͤnungstage loßgelaſſen — er hatte die Faͤſſer ihnen mit doppelter Kreide weniger an¬ geſchrieben als getuͤnchet und leuteriert und Fleckkugeln von Kreidenerde ſo lange in Haͤngbett¬ gen darein eingeſenkt gehabt, daß das Geſoͤf faſt am Ende zu gut war, um verſchenkt zu werden. Der Filz ſucht zu erſparen, ſogar in dem er ver¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/298>, abgerufen am 22.11.2024.