Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

unsers Lebens (wie heute die draußen) die Stra¬
len, die sie vom irdischen Boden weghebt an
hohe goldne Wolken und (als wegweisende Ar¬
me) an höhere Sonnen; nach dem müden Ta¬
ge des Lebens sei unsre Nacht gestirnt, die
heißen Dünste desselben schlagen sich nieder, am
erkalteten hellen Horizont ziehe sich die Abend¬
röthe langsam um Norden herum und bei
Nord-Osten lodere für unser Herz die neue
Morgenröthe auf. . . . . .

. . . . Nun tritt auch die Erdensonne auf
die Erdengebirge und von diesen Felsenstufen in
ihr heiliges Grab: die unendliche Erde rückt ih¬
re großen Glieder zum Schlafe zurecht und schlies¬
set ein tausend ihrer Augen ums andre zu. Ach
welche Lichter und Schatten, Höhen und Tie¬
fen, Farben und Wolken werden draußen käm¬
pfen und spielen und den Himmel mit der Er¬
de verknüpfen -- so bald ich hinaustrete (noch
Ein Augenblick steht zwischen mir und dem Ely¬
sium,) so stehen alle Berge von der zerschmol¬
zenen Goldstufe, der Sonne überflossen da --

unſers Lebens (wie heute die draußen) die Stra¬
len, die ſie vom irdiſchen Boden weghebt an
hohe goldne Wolken und (als wegweiſende Ar¬
me) an hoͤhere Sonnen; nach dem muͤden Ta¬
ge des Lebens ſei unſre Nacht geſtirnt, die
heißen Duͤnſte deſſelben ſchlagen ſich nieder, am
erkalteten hellen Horizont ziehe ſich die Abend¬
roͤthe langſam um Norden herum und bei
Nord-Oſten lodere fuͤr unſer Herz die neue
Morgenroͤthe auf. . . . . .

. . . . Nun tritt auch die Erdenſonne auf
die Erdengebirge und von dieſen Felſenſtufen in
ihr heiliges Grab: die unendliche Erde ruͤckt ih¬
re großen Glieder zum Schlafe zurecht und ſchlieſ¬
ſet ein tauſend ihrer Augen ums andre zu. Ach
welche Lichter und Schatten, Hoͤhen und Tie¬
fen, Farben und Wolken werden draußen kaͤm¬
pfen und ſpielen und den Himmel mit der Er¬
de verknuͤpfen — ſo bald ich hinaustrete (noch
Ein Augenblick ſteht zwiſchen mir und dem Ely¬
ſium,) ſo ſtehen alle Berge von der zerſchmol¬
zenen Goldſtufe, der Sonne uͤberfloſſen da —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0035" n="XXIII"/>
un&#x017F;ers Lebens (wie heute die draußen) die Stra¬<lb/>
len, die &#x017F;ie vom irdi&#x017F;chen Boden weghebt an<lb/>
hohe goldne Wolken und (als wegwei&#x017F;ende Ar¬<lb/>
me) an ho&#x0364;here Sonnen; nach dem mu&#x0364;den Ta¬<lb/>
ge des Lebens &#x017F;ei un&#x017F;re Nacht <hi rendition="#g">ge&#x017F;tirnt</hi>, die<lb/>
heißen Du&#x0364;n&#x017F;te de&#x017F;&#x017F;elben &#x017F;chlagen &#x017F;ich nieder, am<lb/>
erkalteten hellen Horizont ziehe &#x017F;ich die <hi rendition="#g">Abend</hi>¬<lb/><hi rendition="#g">ro&#x0364;the</hi> lang&#x017F;am um <hi rendition="#g">Norden</hi> herum und bei<lb/><hi rendition="#g">Nord</hi>-<hi rendition="#g">O&#x017F;ten</hi> lodere fu&#x0364;r un&#x017F;er Herz die neue<lb/><hi rendition="#g">Morgenro&#x0364;the</hi> auf. . . . . .</p><lb/>
          <p>. . . . Nun tritt auch die Erden&#x017F;onne auf<lb/>
die Erdengebirge und von die&#x017F;en Fel&#x017F;en&#x017F;tufen in<lb/>
ihr heiliges Grab: die unendliche Erde ru&#x0364;ckt ih¬<lb/>
re großen Glieder zum Schlafe zurecht und &#x017F;chlie&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;et ein tau&#x017F;end ihrer Augen ums andre zu. Ach<lb/>
welche Lichter und Schatten, Ho&#x0364;hen und Tie¬<lb/>
fen, Farben und Wolken werden draußen ka&#x0364;<lb/>
pfen und &#x017F;pielen und den Himmel mit der Er¬<lb/>
de verknu&#x0364;pfen &#x2014; &#x017F;o bald ich hinaustrete (noch<lb/>
Ein Augenblick &#x017F;teht zwi&#x017F;chen mir und dem Ely¬<lb/>
&#x017F;ium,) &#x017F;o &#x017F;tehen alle Berge von der zer&#x017F;chmol¬<lb/>
zenen Gold&#x017F;tufe, der Sonne u&#x0364;berflo&#x017F;&#x017F;en da &#x2014;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[XXIII/0035] unſers Lebens (wie heute die draußen) die Stra¬ len, die ſie vom irdiſchen Boden weghebt an hohe goldne Wolken und (als wegweiſende Ar¬ me) an hoͤhere Sonnen; nach dem muͤden Ta¬ ge des Lebens ſei unſre Nacht geſtirnt, die heißen Duͤnſte deſſelben ſchlagen ſich nieder, am erkalteten hellen Horizont ziehe ſich die Abend¬ roͤthe langſam um Norden herum und bei Nord-Oſten lodere fuͤr unſer Herz die neue Morgenroͤthe auf. . . . . . . . . . Nun tritt auch die Erdenſonne auf die Erdengebirge und von dieſen Felſenſtufen in ihr heiliges Grab: die unendliche Erde ruͤckt ih¬ re großen Glieder zum Schlafe zurecht und ſchlieſ¬ ſet ein tauſend ihrer Augen ums andre zu. Ach welche Lichter und Schatten, Hoͤhen und Tie¬ fen, Farben und Wolken werden draußen kaͤm¬ pfen und ſpielen und den Himmel mit der Er¬ de verknuͤpfen — ſo bald ich hinaustrete (noch Ein Augenblick ſteht zwiſchen mir und dem Ely¬ ſium,) ſo ſtehen alle Berge von der zerſchmol¬ zenen Goldſtufe, der Sonne uͤberfloſſen da —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/35
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. XXIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/35>, abgerufen am 21.11.2024.