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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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in siechen Tagen immer äußern oder in gesunden ge¬
gen Jünglinge, die ihnen tugendhaft und gleichgül¬
tig auf einmal vorkommen: das gute Partizipium
in dus, Amandus, muthmaßte daher nach einigen
Nachdenken, daß der Brief, den Beata als ein Spe¬
zimen aus Rousseaus Heloise auf feinem Papier --
auf blaues schreibt keine -- verdollmetschet hatte
und der an den seeligen S. Preux geschrieben war,
an das Partizipium gerichtet wäre. Mädgen sollten
daher nichts vertiren: Amandus war in einen Lieb¬
haber vertirt.

In Gustavs wogendem Kopf brach jezt die
Nacht an, die außer ihm vortrat: Stürme und
Mondschein waren in seiner Nacht neben einander,
Freude und Trauer, er dachte an einen unschuldigen
vom Verdacht angefressenen Freund, an das einge¬
büste Portrait, an die Schwester, mit der er einmal
in seiner Kindheit gespielt hatte, an den unbekann¬
ten portraitirten Freund, der also der Bruder dieses
schönen Wesens sei u.s.w. -- Amandus brach ein¬
seitig auf; Gustav folgte ihm ungebeten weil er heu¬
te nichts als verzeihen konnte -- noch unter dem
Hinuntergehen rangen Haß und Freundschaft mit
gleichen Kräften in Amandus und erst ein Zufall

in ſiechen Tagen immer aͤußern oder in geſunden ge¬
gen Juͤnglinge, die ihnen tugendhaft und gleichguͤl¬
tig auf einmal vorkommen: das gute Partizipium
in dus, Amandus, muthmaßte daher nach einigen
Nachdenken, daß der Brief, den Beata als ein Spe¬
zimen aus Rouſſeaus Heloiſe auf feinem Papier —
auf blaues ſchreibt keine — verdollmetſchet hatte
und der an den ſeeligen S. Preux geſchrieben war,
an das Partizipium gerichtet waͤre. Maͤdgen ſollten
daher nichts vertiren: Amandus war in einen Lieb¬
haber vertirt.

In Guſtavs wogendem Kopf brach jezt die
Nacht an, die außer ihm vortrat: Stuͤrme und
Mondſchein waren in ſeiner Nacht neben einander,
Freude und Trauer, er dachte an einen unſchuldigen
vom Verdacht angefreſſenen Freund, an das einge¬
buͤſte Portrait, an die Schweſter, mit der er einmal
in ſeiner Kindheit geſpielt hatte, an den unbekann¬
ten portraitirten Freund, der alſo der Bruder dieſes
ſchoͤnen Weſens ſei u.ſ.w. — Amandus brach ein¬
ſeitig auf; Guſtav folgte ihm ungebeten weil er heu¬
te nichts als verzeihen konnte — noch unter dem
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gleichen Kraͤften in Amandus und erſt ein Zufall

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[335/0371] in ſiechen Tagen immer aͤußern oder in geſunden ge¬ gen Juͤnglinge, die ihnen tugendhaft und gleichguͤl¬ tig auf einmal vorkommen: das gute Partizipium in dus, Amandus, muthmaßte daher nach einigen Nachdenken, daß der Brief, den Beata als ein Spe¬ zimen aus Rouſſeaus Heloiſe auf feinem Papier — auf blaues ſchreibt keine — verdollmetſchet hatte und der an den ſeeligen S. Preux geſchrieben war, an das Partizipium gerichtet waͤre. Maͤdgen ſollten daher nichts vertiren: Amandus war in einen Lieb¬ haber vertirt. In Guſtavs wogendem Kopf brach jezt die Nacht an, die außer ihm vortrat: Stuͤrme und Mondſchein waren in ſeiner Nacht neben einander, Freude und Trauer, er dachte an einen unſchuldigen vom Verdacht angefreſſenen Freund, an das einge¬ buͤſte Portrait, an die Schweſter, mit der er einmal in ſeiner Kindheit geſpielt hatte, an den unbekann¬ ten portraitirten Freund, der alſo der Bruder dieſes ſchoͤnen Weſens ſei u.ſ.w. — Amandus brach ein¬ ſeitig auf; Guſtav folgte ihm ungebeten weil er heu¬ te nichts als verzeihen konnte — noch unter dem Hinuntergehen rangen Haß und Freundſchaft mit gleichen Kraͤften in Amandus und erſt ein Zufall

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/371>, abgerufen am 24.11.2024.