ohne Flecken und Federn zusammensetzte, hinaus¬ werfe in die schmutzige Welt, in der sehr bald Bocks¬ blut auf ihn tropfen wird, aus seiner Meerstille der Leidenschaften heraus in den sogenannten Himmel hinein, wo neben den Seeligen eben so viele Ver¬ dammte gehen. -- Aber, da er alsdann doch auch der großen Natur ins Angesicht schauen darf; so ists doch nicht sein Schicksal allein, was mich beklemmt, sondern meines und fremdes, weil ich bedenke, durch wie viel Koth unsere Lehrer unsern innern Menschen wie einen Missethäter schleifen, eh' er sich aufrichten darf -- ach hätte ein Pythagoras, statt des Latei¬ nischen und der syrischen Geschichte, unser Herz zu einer sanft erbebenden Aeolsharfe, auf der die Natur spielet und ihre Empfindung ausdrückt, und nicht zu einer lärmenden Feuertrommel aller Leidenschaften werden lassen -- wie weit -- da das Genie, aber nie die Tugend Gränzen hat und jeder Reine und Gute noch reiner werden kann -- könn¬ ten wir nicht seyn!
Wie Gustav eine Nacht wartet: so will ich auch die Schilderung davon um eine verschieben, um sie Morgen mit aller Wollust meiner Seele zu geben.
ohne Flecken und Federn zuſammenſetzte, hinaus¬ werfe in die ſchmutzige Welt, in der ſehr bald Bocks¬ blut auf ihn tropfen wird, aus ſeiner Meerſtille der Leidenſchaften heraus in den ſogenannten Himmel hinein, wo neben den Seeligen eben ſo viele Ver¬ dammte gehen. — Aber, da er alsdann doch auch der großen Natur ins Angeſicht ſchauen darf; ſo iſts doch nicht ſein Schickſal allein, was mich beklemmt, ſondern meines und fremdes, weil ich bedenke, durch wie viel Koth unſere Lehrer unſern innern Menſchen wie einen Miſſethaͤter ſchleifen, eh' er ſich aufrichten darf — ach haͤtte ein Pythagoras, ſtatt des Latei¬ niſchen und der ſyriſchen Geſchichte, unſer Herz zu einer ſanft erbebenden Aeolsharfe, auf der die Natur ſpielet und ihre Empfindung ausdruͤckt, und nicht zu einer laͤrmenden Feuertrommel aller Leidenſchaften werden laſſen — wie weit — da das Genie, aber nie die Tugend Graͤnzen hat und jeder Reine und Gute noch reiner werden kann — koͤnn¬ ten wir nicht ſeyn!
Wie Guſtav eine Nacht wartet: ſo will ich auch die Schilderung davon um eine verſchieben, um ſie Morgen mit aller Wolluſt meiner Seele zu geben.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0092"n="56"/>
ohne Flecken und Federn zuſammenſetzte, hinaus¬<lb/>
werfe in die ſchmutzige Welt, in der ſehr bald Bocks¬<lb/>
blut auf ihn tropfen wird, aus ſeiner Meerſtille der<lb/>
Leidenſchaften heraus in den ſogenannten Himmel<lb/>
hinein, wo neben den Seeligen eben ſo viele Ver¬<lb/>
dammte gehen. — Aber, da er alsdann doch auch<lb/>
der großen Natur ins Angeſicht ſchauen darf; ſo iſts<lb/>
doch nicht ſein Schickſal allein, was mich beklemmt,<lb/>ſondern meines und fremdes, weil ich bedenke, durch<lb/>
wie viel Koth unſere Lehrer unſern innern Menſchen<lb/>
wie einen Miſſethaͤter ſchleifen, eh' er ſich aufrichten<lb/>
darf — ach haͤtte ein Pythagoras, ſtatt des Latei¬<lb/>
niſchen und der ſyriſchen Geſchichte, unſer Herz zu<lb/>
einer ſanft erbebenden <hirendition="#g">Aeolsharfe</hi>, auf der die<lb/>
Natur ſpielet und ihre Empfindung ausdruͤckt, und<lb/>
nicht zu einer laͤrmenden <hirendition="#g">Feuertrommel</hi> aller<lb/>
Leidenſchaften werden laſſen — wie weit — da das<lb/>
Genie, aber nie die Tugend Graͤnzen hat und jeder<lb/>
Reine und Gute noch reiner werden kann — koͤnn¬<lb/>
ten wir nicht ſeyn!</p><lb/><p>Wie Guſtav eine Nacht wartet: ſo will ich auch<lb/>
die Schilderung davon um eine verſchieben, um ſie<lb/>
Morgen mit aller Wolluſt meiner Seele zu geben.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[56/0092]
ohne Flecken und Federn zuſammenſetzte, hinaus¬
werfe in die ſchmutzige Welt, in der ſehr bald Bocks¬
blut auf ihn tropfen wird, aus ſeiner Meerſtille der
Leidenſchaften heraus in den ſogenannten Himmel
hinein, wo neben den Seeligen eben ſo viele Ver¬
dammte gehen. — Aber, da er alsdann doch auch
der großen Natur ins Angeſicht ſchauen darf; ſo iſts
doch nicht ſein Schickſal allein, was mich beklemmt,
ſondern meines und fremdes, weil ich bedenke, durch
wie viel Koth unſere Lehrer unſern innern Menſchen
wie einen Miſſethaͤter ſchleifen, eh' er ſich aufrichten
darf — ach haͤtte ein Pythagoras, ſtatt des Latei¬
niſchen und der ſyriſchen Geſchichte, unſer Herz zu
einer ſanft erbebenden Aeolsharfe, auf der die
Natur ſpielet und ihre Empfindung ausdruͤckt, und
nicht zu einer laͤrmenden Feuertrommel aller
Leidenſchaften werden laſſen — wie weit — da das
Genie, aber nie die Tugend Graͤnzen hat und jeder
Reine und Gute noch reiner werden kann — koͤnn¬
ten wir nicht ſeyn!
Wie Guſtav eine Nacht wartet: ſo will ich auch
die Schilderung davon um eine verſchieben, um ſie
Morgen mit aller Wolluſt meiner Seele zu geben.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/92>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.