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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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Vier und dreissigster oder I. Advents-Sektor.

Ottomar -- Kirche -- Orgel.


Am andern Morgen war ein Lärm im Schlosse
über eine Sache, die der Doktor Fenk um eine Wo¬
che später durch einen Brief von -- Ottomar er¬
fuhr.

-- Nie hab' ich einen Sektor oder Sonntag so
traurig angefangen als heute: mein vergehender
Körper und der folgende Brief an Fenk hängen wie
ein Hutflor an mir. Ich wollt', ich verstände den
Brief nicht -- ach es wäre dann eine unvergeßliche
Novemberstunde nie in mein Leben getreten, die,
nachdem so viele andre Stunden bei mir vorüber¬
gegangen, bei mir stehen bleibt und mich immer¬
fort ansieht. -- Dunkle Stunde! du streckest dei¬
nen Schatten über ganze Jahre aus, du stellest
dich so vor mich, daß ich den phosphoreßirenden
Nimbus der Erde hinter dir nicht flimmern und
rauchen sehen kann, die 80 menschlichen Jahre se¬
hen in deinem Schatten wie der Ruck des Sekun¬
denweisers aus -- ach nimm mir nicht so viel! . . .

Vier und dreiſſigſter oder I. Advents-Sektor.

Ottomar — Kirche — Orgel.


Am andern Morgen war ein Laͤrm im Schloſſe
uͤber eine Sache, die der Doktor Fenk um eine Wo¬
che ſpaͤter durch einen Brief von — Ottomar er¬
fuhr.

— Nie hab' ich einen Sektor oder Sonntag ſo
traurig angefangen als heute: mein vergehender
Koͤrper und der folgende Brief an Fenk haͤngen wie
ein Hutflor an mir. Ich wollt', ich verſtaͤnde den
Brief nicht — ach es waͤre dann eine unvergeßliche
Novemberſtunde nie in mein Leben getreten, die,
nachdem ſo viele andre Stunden bei mir voruͤber¬
gegangen, bei mir ſtehen bleibt und mich immer¬
fort anſieht. — Dunkle Stunde! du ſtreckeſt dei¬
nen Schatten uͤber ganze Jahre aus, du ſtelleſt
dich ſo vor mich, daß ich den phoſphoreſzirenden
Nimbus der Erde hinter dir nicht flimmern und
rauchen ſehen kann, die 80 menſchlichen Jahre ſe¬
hen in deinem Schatten wie der Ruck des Sekun¬
denweiſers aus — ach nimm mir nicht ſo viel! . . .

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[135/0145] Vier und dreiſſigſter oder I. Advents-Sektor. Ottomar — Kirche — Orgel. Am andern Morgen war ein Laͤrm im Schloſſe uͤber eine Sache, die der Doktor Fenk um eine Wo¬ che ſpaͤter durch einen Brief von — Ottomar er¬ fuhr. — Nie hab' ich einen Sektor oder Sonntag ſo traurig angefangen als heute: mein vergehender Koͤrper und der folgende Brief an Fenk haͤngen wie ein Hutflor an mir. Ich wollt', ich verſtaͤnde den Brief nicht — ach es waͤre dann eine unvergeßliche Novemberſtunde nie in mein Leben getreten, die, nachdem ſo viele andre Stunden bei mir voruͤber¬ gegangen, bei mir ſtehen bleibt und mich immer¬ fort anſieht. — Dunkle Stunde! du ſtreckeſt dei¬ nen Schatten uͤber ganze Jahre aus, du ſtelleſt dich ſo vor mich, daß ich den phoſphoreſzirenden Nimbus der Erde hinter dir nicht flimmern und rauchen ſehen kann, die 80 menſchlichen Jahre ſe¬ hen in deinem Schatten wie der Ruck des Sekun¬ denweiſers aus — ach nimm mir nicht ſo viel! . . .

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/145>, abgerufen am 21.11.2024.