flammt. . . . . Nein: in Erdfarben und auf der Leinwand von Thierfellen und auf allem was vor mir liegt, ist bloß das Bild des Ur-Genius; aber im Menschen ist nicht sein Bild, sondern er selbst . . . .
Die Sonne glühte noch halb über dem Erd¬ ball, der sie zerschnitt; aber ich sah sie durch mein zerrinnendes Auge nimmer, vergangen, ver¬ stummt, verhüllt, versunken im treibenden, flam¬ menden, reissenden, uferlosen Meere um mich. . .
Die Sonne nahm den entzückten Tag mit hin¬ unter; und jetzt steht der Aether-Diamant, den die Nacht schwarz einfasset, der Mond, über die¬ sen zugehüllten Szenen und strahlet wie andre Dia¬ manten den entlehnten Schimmer aus . . . . O du stille Mitternachts-Sonne! du schimmerst und der Mensch ruht, deine Strahlen besänftigen das ir¬ dische Toben, deine herunterrinnende Funken wie¬ gen wie ein schimmernder Bach den liegenden Men¬ schen ein und der Schlaf bedeckt dann wie eine Gra¬ beserde das ruhende Herz, das trocknende Auge und das schmerzenlose Angesicht . . . . Leben Sie wohl und die weisse Lunens-Scheibe zeig' Ihnen
flammt. . . . . Nein: in Erdfarben und auf der Leinwand von Thierfellen und auf allem was vor mir liegt, iſt bloß das Bild des Ur-Genius; aber im Menſchen iſt nicht ſein Bild, ſondern er ſelbſt . . . .
Die Sonne gluͤhte noch halb uͤber dem Erd¬ ball, der ſie zerſchnitt; aber ich ſah ſie durch mein zerrinnendes Auge nimmer, vergangen, ver¬ ſtummt, verhuͤllt, verſunken im treibenden, flam¬ menden, reiſſenden, uferloſen Meere um mich. . .
Die Sonne nahm den entzuͤckten Tag mit hin¬ unter; und jetzt ſteht der Aether-Diamant, den die Nacht ſchwarz einfaſſet, der Mond, uͤber die¬ ſen zugehuͤllten Szenen und ſtrahlet wie andre Dia¬ manten den entlehnten Schimmer aus . . . . O du ſtille Mitternachts-Sonne! du ſchimmerſt und der Menſch ruht, deine Strahlen beſaͤnftigen das ir¬ diſche Toben, deine herunterrinnende Funken wie¬ gen wie ein ſchimmernder Bach den liegenden Men¬ ſchen ein und der Schlaf bedeckt dann wie eine Gra¬ beserde das ruhende Herz, das trocknende Auge und das ſchmerzenloſe Angeſicht . . . . Leben Sie wohl und die weiſſe Lunens-Scheibe zeig' Ihnen
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flammt. . . . . Nein: in Erdfarben und auf der
Leinwand von Thierfellen und auf allem was vor
mir liegt, iſt bloß das Bild des Ur-Genius;
aber im Menſchen iſt nicht ſein Bild, ſondern er
ſelbſt . . . .
Die Sonne gluͤhte noch halb uͤber dem Erd¬
ball, der ſie zerſchnitt; aber ich ſah ſie durch
mein zerrinnendes Auge nimmer, vergangen, ver¬
ſtummt, verhuͤllt, verſunken im treibenden, flam¬
menden, reiſſenden, uferloſen Meere um mich. . .
Die Sonne nahm den entzuͤckten Tag mit hin¬
unter; und jetzt ſteht der Aether-Diamant, den
die Nacht ſchwarz einfaſſet, der Mond, uͤber die¬
ſen zugehuͤllten Szenen und ſtrahlet wie andre Dia¬
manten den entlehnten Schimmer aus . . . . O du
ſtille Mitternachts-Sonne! du ſchimmerſt und der
Menſch ruht, deine Strahlen beſaͤnftigen das ir¬
diſche Toben, deine herunterrinnende Funken wie¬
gen wie ein ſchimmernder Bach den liegenden Men¬
ſchen ein und der Schlaf bedeckt dann wie eine Gra¬
beserde das ruhende Herz, das trocknende Auge
und das ſchmerzenloſe Angeſicht . . . . Leben Sie
wohl und die weiſſe Lunens-Scheibe zeig' Ihnen
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/22>, abgerufen am 21.11.2024.
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