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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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sich bis zu seinem Tode noch auf den Stiefelknecht
oder vor den Rasierspiegel werde heben müssen --
-- Ich betrachte oft die größte Armseligkeit im
ganzen Leben, welche die wäre, wenn einer alle
in dasselbe zerstreuet umhergesäete Rasuren, Frisu¬
ren, Ankleidungen, sedes hinter einander abthun
müßte. -- Der dunkelste Nachtgedanke, der sich
über meine etwa noch grünenden Prospekte lagert,
ist der, daß der Tod in diesem nächtlichen Le¬
ben, wo das Daseyn und die Freunde wie weit
abgetheilte Lichter im finstern Bergwerk gehen,
mir meine theure Geliebten aus den ohnmächtigen
Händen ziehe und auf immer in verschüttete Särge,
einsperre, zu denen kein Sterblicher, sondern bloß
die größte und unsichtbarste Hand, den Schlüssel,
hat. . . . Hast du mir denn nicht schon so viel
weggerissen? Würd' ich von Kummer oder von Ei¬
telkeit des Lebens reden, wenn der bunte Jugend-
Kreis noch nicht zerstückt, wenn das Farbenband
der Freundschaft, das die Erde und ihren Schmelz
noch an den Menschen heftet, noch nicht von ein¬
ander gesägt wäre bis auf ein oder zwei Fäden? --
O du, den ich jetzt aus einer weiten Entfernung
weinen höre, du bist nicht unglücklich, an dessen

ſich bis zu ſeinem Tode noch auf den Stiefelknecht
oder vor den Raſierſpiegel werde heben muͤſſen —
— Ich betrachte oft die groͤßte Armſeligkeit im
ganzen Leben, welche die waͤre, wenn einer alle
in daſſelbe zerſtreuet umhergeſaͤete Raſuren, Friſu¬
ren, Ankleidungen, ſedes hinter einander abthun
muͤßte. — Der dunkelſte Nachtgedanke, der ſich
uͤber meine etwa noch gruͤnenden Proſpekte lagert,
iſt der, daß der Tod in dieſem naͤchtlichen Le¬
ben, wo das Daſeyn und die Freunde wie weit
abgetheilte Lichter im finſtern Bergwerk gehen,
mir meine theure Geliebten aus den ohnmaͤchtigen
Haͤnden ziehe und auf immer in verſchuͤttete Saͤrge,
einſperre, zu denen kein Sterblicher, ſondern bloß
die groͤßte und unſichtbarſte Hand, den Schluͤſſel,
hat. . . . Haſt du mir denn nicht ſchon ſo viel
weggeriſſen? Wuͤrd' ich von Kummer oder von Ei¬
telkeit des Lebens reden, wenn der bunte Jugend-
Kreis noch nicht zerſtuͤckt, wenn das Farbenband
der Freundſchaft, das die Erde und ihren Schmelz
noch an den Menſchen heftet, noch nicht von ein¬
ander geſaͤgt waͤre bis auf ein oder zwei Faͤden? —
O du, den ich jetzt aus einer weiten Entfernung
weinen hoͤre, du biſt nicht ungluͤcklich, an deſſen

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[253/0263] ſich bis zu ſeinem Tode noch auf den Stiefelknecht oder vor den Raſierſpiegel werde heben muͤſſen — — Ich betrachte oft die groͤßte Armſeligkeit im ganzen Leben, welche die waͤre, wenn einer alle in daſſelbe zerſtreuet umhergeſaͤete Raſuren, Friſu¬ ren, Ankleidungen, ſedes hinter einander abthun muͤßte. — Der dunkelſte Nachtgedanke, der ſich uͤber meine etwa noch gruͤnenden Proſpekte lagert, iſt der, daß der Tod in dieſem naͤchtlichen Le¬ ben, wo das Daſeyn und die Freunde wie weit abgetheilte Lichter im finſtern Bergwerk gehen, mir meine theure Geliebten aus den ohnmaͤchtigen Haͤnden ziehe und auf immer in verſchuͤttete Saͤrge, einſperre, zu denen kein Sterblicher, ſondern bloß die groͤßte und unſichtbarſte Hand, den Schluͤſſel, hat. . . . Haſt du mir denn nicht ſchon ſo viel weggeriſſen? Wuͤrd' ich von Kummer oder von Ei¬ telkeit des Lebens reden, wenn der bunte Jugend- Kreis noch nicht zerſtuͤckt, wenn das Farbenband der Freundſchaft, das die Erde und ihren Schmelz noch an den Menſchen heftet, noch nicht von ein¬ ander geſaͤgt waͤre bis auf ein oder zwei Faͤden? — O du, den ich jetzt aus einer weiten Entfernung weinen hoͤre, du biſt nicht ungluͤcklich, an deſſen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/263>, abgerufen am 22.11.2024.