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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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rem Kummer die Erfrischungen des Zornes bei, in¬
dem er immer kam und im schönsten gebrochnen
eingeschleierten Auge der verlohrnen Liebe seine auf¬
suchte und herausforderte. Jezt trinkt sie, auf
Fenks Treiben, den Brunnen in Lilienbad und
lebt allein mit einem Kammermädgen -- -- der
Mai hebe die gesenkte Blumen-Knospe deines Gei¬
stes empor, den dein Flockenleib, wie Blumen
neu gefallner Schnee, umlegt und drückt und aus
dessen aufgerissenen Blumen-Blättern die Schnee-
Rinde erst unter der Frühlingssonne des entfern¬
ten zweiten Himmels rinnen wird! --

Ottomar hat den Winter verzankt und ver¬
stritten; hat viele Korrespondenz; advoziert wie
ich, aber gegen jeden giftigen Stammbaum und
Hundsstern auf dem Rock, am meisten gegen
den Fürstenhut seines Bruders, der damit Unter¬
thanen wie Schmetterlinge erwirft und fängt. Er
glaubt, ein Advokat sei der einzige Volkstribun
gegen die Regierung, nur sei das bisherige Lesen
der Advokaten schlimmer gewesen als selbst das
Buchstabieren, das der seel. Heinecke für schlim¬
mer ausschrie als Erbsünde und Pest. Ich möchte
ihn fast für den Verfasser einer Satire über den

rem Kummer die Erfriſchungen des Zornes bei, in¬
dem er immer kam und im ſchoͤnſten gebrochnen
eingeſchleierten Auge der verlohrnen Liebe ſeine auf¬
ſuchte und herausforderte. Jezt trinkt ſie, auf
Fenks Treiben, den Brunnen in Lilienbad und
lebt allein mit einem Kammermaͤdgen — — der
Mai hebe die geſenkte Blumen-Knoſpe deines Gei¬
ſtes empor, den dein Flockenleib, wie Blumen
neu gefallner Schnee, umlegt und druͤckt und aus
deſſen aufgeriſſenen Blumen-Blaͤttern die Schnee-
Rinde erſt unter der Fruͤhlingsſonne des entfern¬
ten zweiten Himmels rinnen wird! —

Ottomar hat den Winter verzankt und ver¬
ſtritten; hat viele Korreſpondenz; advoziert wie
ich, aber gegen jeden giftigen Stammbaum und
Hundsſtern auf dem Rock, am meiſten gegen
den Fuͤrſtenhut ſeines Bruders, der damit Unter¬
thanen wie Schmetterlinge erwirft und faͤngt. Er
glaubt, ein Advokat ſei der einzige Volkstribun
gegen die Regierung, nur ſei das bisherige Leſen
der Advokaten ſchlimmer geweſen als ſelbſt das
Buchſtabieren, das der ſeel. Heinecke fuͤr ſchlim¬
mer ausſchrie als Erbſuͤnde und Peſt. Ich moͤchte
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[277/0287] rem Kummer die Erfriſchungen des Zornes bei, in¬ dem er immer kam und im ſchoͤnſten gebrochnen eingeſchleierten Auge der verlohrnen Liebe ſeine auf¬ ſuchte und herausforderte. Jezt trinkt ſie, auf Fenks Treiben, den Brunnen in Lilienbad und lebt allein mit einem Kammermaͤdgen — — der Mai hebe die geſenkte Blumen-Knoſpe deines Gei¬ ſtes empor, den dein Flockenleib, wie Blumen neu gefallner Schnee, umlegt und druͤckt und aus deſſen aufgeriſſenen Blumen-Blaͤttern die Schnee- Rinde erſt unter der Fruͤhlingsſonne des entfern¬ ten zweiten Himmels rinnen wird! — Ottomar hat den Winter verzankt und ver¬ ſtritten; hat viele Korreſpondenz; advoziert wie ich, aber gegen jeden giftigen Stammbaum und Hundsſtern auf dem Rock, am meiſten gegen den Fuͤrſtenhut ſeines Bruders, der damit Unter¬ thanen wie Schmetterlinge erwirft und faͤngt. Er glaubt, ein Advokat ſei der einzige Volkstribun gegen die Regierung, nur ſei das bisherige Leſen der Advokaten ſchlimmer geweſen als ſelbſt das Buchſtabieren, das der ſeel. Heinecke fuͤr ſchlim¬ mer ausſchrie als Erbſuͤnde und Peſt. Ich moͤchte ihn faſt fuͤr den Verfaſſer einer Satire uͤber den

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/287>, abgerufen am 22.11.2024.