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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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Ich muß aber zur Rechtfertigung von vielen
hundert Damen sagen, daß sie dafür ja das näm¬
liche mit den Originalen thun und daß damit
auch schon was zu machen ist. --

Da ich in diesem Familien-Schauspiel für keine
Göttin Achtung habe als für die der Wahrheit: so
kann ich sie auch meiner Schwester nicht aufopfern,
ob gleich ihr Geschlecht und ihre Jugend sie noch
unter die Göttinnen stellen. Es ärgert mich, daß
sie zu wenig Stolz und zu viel Eitelkeit ernährt.
Es ärgert mich, daß es sie nicht ärgern wird sich
hier gedruckt und getadelt zu lesen weil ihr
mehr am Gewinnst der Eitelkeit durch den Druck
als am Verlust des Stolzes durch den Tadel gele¬
gen ist.

Stolz ist in unserem Kriegslistigen Jahrhun¬
dert der treueste Schutzheilige und Lehns-Vormund
der weiblichen Tugend. Niemand wird zwar von
mir fodern, die Damen von meiner Bekanntschaft
öffentlich zu nennen, die gewiß wie Mailand 40
mal (nach Keißler) wären belagert und 20 mal
erobert worden, wären sie nicht brav stolz gewe¬
sen, ja wäre nicht eine davon an Einem Abende
voll Tanz zwei und ein halb mal stolz gewesen;
aber nennen könnt' ich sie, wollt' ich sonst.

Ich muß aber zur Rechtfertigung von vielen
hundert Damen ſagen, daß ſie dafuͤr ja das naͤm¬
liche mit den Originalen thun und daß damit
auch ſchon was zu machen iſt. —

Da ich in dieſem Familien-Schauſpiel fuͤr keine
Goͤttin Achtung habe als fuͤr die der Wahrheit: ſo
kann ich ſie auch meiner Schweſter nicht aufopfern,
ob gleich ihr Geſchlecht und ihre Jugend ſie noch
unter die Goͤttinnen ſtellen. Es aͤrgert mich, daß
ſie zu wenig Stolz und zu viel Eitelkeit ernaͤhrt.
Es aͤrgert mich, daß es ſie nicht aͤrgern wird ſich
hier gedruckt und getadelt zu leſen weil ihr
mehr am Gewinnſt der Eitelkeit durch den Druck
als am Verluſt des Stolzes durch den Tadel gele¬
gen iſt.

Stolz iſt in unſerem Kriegsliſtigen Jahrhun¬
dert der treueſte Schutzheilige und Lehns-Vormund
der weiblichen Tugend. Niemand wird zwar von
mir fodern, die Damen von meiner Bekanntſchaft
oͤffentlich zu nennen, die gewiß wie Mailand 40
mal (nach Keißler) waͤren belagert und 20 mal
erobert worden, waͤren ſie nicht brav ſtolz gewe¬
ſen, ja waͤre nicht eine davon an Einem Abende
voll Tanz zwei und ein halb mal ſtolz geweſen;
aber nennen koͤnnt' ich ſie, wollt' ich ſonſt.

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[310/0320] Ich muß aber zur Rechtfertigung von vielen hundert Damen ſagen, daß ſie dafuͤr ja das naͤm¬ liche mit den Originalen thun und daß damit auch ſchon was zu machen iſt. — Da ich in dieſem Familien-Schauſpiel fuͤr keine Goͤttin Achtung habe als fuͤr die der Wahrheit: ſo kann ich ſie auch meiner Schweſter nicht aufopfern, ob gleich ihr Geſchlecht und ihre Jugend ſie noch unter die Goͤttinnen ſtellen. Es aͤrgert mich, daß ſie zu wenig Stolz und zu viel Eitelkeit ernaͤhrt. Es aͤrgert mich, daß es ſie nicht aͤrgern wird ſich hier gedruckt und getadelt zu leſen weil ihr mehr am Gewinnſt der Eitelkeit durch den Druck als am Verluſt des Stolzes durch den Tadel gele¬ gen iſt. Stolz iſt in unſerem Kriegsliſtigen Jahrhun¬ dert der treueſte Schutzheilige und Lehns-Vormund der weiblichen Tugend. Niemand wird zwar von mir fodern, die Damen von meiner Bekanntſchaft oͤffentlich zu nennen, die gewiß wie Mailand 40 mal (nach Keißler) waͤren belagert und 20 mal erobert worden, waͤren ſie nicht brav ſtolz gewe¬ ſen, ja waͤre nicht eine davon an Einem Abende voll Tanz zwei und ein halb mal ſtolz geweſen; aber nennen koͤnnt' ich ſie, wollt' ich ſonſt.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/320>, abgerufen am 22.11.2024.