Vorgestern (den 26. Oktober) war dein Namens¬ tag, Amandus! hast du wohl in deinem Leben ei¬ nen mit freudigen Augen gefeiert? hast du je am Ende eines Jahrs gesagt: möge das neue eben so seyn? -- ich will nicht darauf antworten, um nicht trauriger zu werden. . .
Gustav sah nichts mehr im Garten als was er nicht suchte, den Fürsten und dergleichen; er trug unnöthiges d. h. verliebtes Bedenken, sich bei je¬ mand über Beatens Unsichtbarkeit zu erkundigen -- bei den zwei Gärtners Kindern ausgenommen, die nichts wusten als daß Beata wie er noch immer mit ihnen tändle, und sie beschenke. Vielleicht gab sie ihnen, weil er ihnen gab: denn er gab ihnen, weil sie es that. Die einzigen Reliquien von ihr, ihre Spatzierwege, zogen ihn desto öf¬ ter an sich. O wäre doch der Kies weicher oder das Gras länger gewesen, damit beide ihm den gewissen Abriß einer Spur, daß sie da gewesen,
Acht und zwanzigſter oder Simon Judaͤ Sektor.
Gemählde — Reſidentin.
Vorgeſtern (den 26. Oktober) war dein Namens¬ tag, Amandus! haſt du wohl in deinem Leben ei¬ nen mit freudigen Augen gefeiert? haſt du je am Ende eines Jahrs geſagt: moͤge das neue eben ſo ſeyn? — ich will nicht darauf antworten, um nicht trauriger zu werden. . .
Guſtav ſah nichts mehr im Garten als was er nicht ſuchte, den Fuͤrſten und dergleichen; er trug unnoͤthiges d. h. verliebtes Bedenken, ſich bei je¬ mand uͤber Beatens Unſichtbarkeit zu erkundigen — bei den zwei Gaͤrtners Kindern ausgenommen, die nichts wuſten als daß Beata wie er noch immer mit ihnen taͤndle, und ſie beſchenke. Vielleicht gab ſie ihnen, weil er ihnen gab: denn er gab ihnen, weil ſie es that. Die einzigen Reliquien von ihr, ihre Spatzierwege, zogen ihn deſto oͤf¬ ter an ſich. O waͤre doch der Kies weicher oder das Gras laͤnger geweſen, damit beide ihm den gewiſſen Abriß einer Spur, daß ſie da geweſen,
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Acht und zwanzigſter oder Simon Judaͤ Sektor.
Gemählde — Reſidentin.
Vorgeſtern (den 26. Oktober) war dein Namens¬
tag, Amandus! haſt du wohl in deinem Leben ei¬
nen mit freudigen Augen gefeiert? haſt du je am
Ende eines Jahrs geſagt: moͤge das neue eben ſo
ſeyn? — ich will nicht darauf antworten, um
nicht trauriger zu werden. . .
Guſtav ſah nichts mehr im Garten als was er
nicht ſuchte, den Fuͤrſten und dergleichen; er trug
unnoͤthiges d. h. verliebtes Bedenken, ſich bei je¬
mand uͤber Beatens Unſichtbarkeit zu erkundigen —
bei den zwei Gaͤrtners Kindern ausgenommen, die
nichts wuſten als daß Beata wie er noch immer
mit ihnen taͤndle, und ſie beſchenke. Vielleicht
gab ſie ihnen, weil er ihnen gab: denn er gab
ihnen, weil ſie es that. Die einzigen Reliquien
von ihr, ihre Spatzierwege, zogen ihn deſto oͤf¬
ter an ſich. O waͤre doch der Kies weicher oder
das Gras laͤnger geweſen, damit beide ihm den
gewiſſen Abriß einer Spur, daß ſie da geweſen,
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/33>, abgerufen am 21.11.2024.
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