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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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Land zerreissen können, so geglättet, so bezähmet,
daß der heutige Sabbaths-Tag herauskömmt, wo
den breiten Flügel des Schmetterlings kein Lüft¬
chen ergreift oder um ein gefiedertes Stäubgen be¬
rupft und wo das Kind so ruhig zwischen den Ele¬
menten Leviathans tändelt und lächelt. -- Wenn
das kein unendlicher Genius bezwungen hat, wenn
wir diesem Genius keine Zusammenordnung unsers
künftigen Schicksals und unserer künftigen Welt zu¬
trauen." . . . .

O unendlicher Genius der Erde! an deinen Bu¬
sen wollen wir unsre kindlichen Augen schmiegen,
wenn sich der Sturm von der Kette losreisset -- --
an dein allmächtiges heisses Herz wollen wir zurück¬
sinken, wenn uns der eiserne Tod einschläfert! in¬
dem es vorbeigeht! --

So giengen wir unschuldig-zufrieden, ohne
Hastigkeit und Heftigkeit den Wellen zu, die an
Fenks Landhaus spülten. Sonderbar ists, es giebt
Tage, wo wir freywillig unser stilles fort-vibriren¬
des Vergnügen von den äussern Gegenständen uns
spediren lassen (wodurch wir ungewöhnlich gegen
ächten Stoizismus verstoßen) -- noch sonderbarer
ists, daß manche Tage dieses wirklich thun. -- --

Land zerreiſſen koͤnnen, ſo geglaͤttet, ſo bezaͤhmet,
daß der heutige Sabbaths-Tag herauskoͤmmt, wo
den breiten Fluͤgel des Schmetterlings kein Luͤft¬
chen ergreift oder um ein gefiedertes Staͤubgen be¬
rupft und wo das Kind ſo ruhig zwiſchen den Ele¬
menten Leviathans taͤndelt und laͤchelt. — Wenn
das kein unendlicher Genius bezwungen hat, wenn
wir dieſem Genius keine Zuſammenordnung unſers
kuͤnftigen Schickſals und unſerer kuͤnftigen Welt zu¬
trauen.“ . . . .

O unendlicher Genius der Erde! an deinen Bu¬
ſen wollen wir unſre kindlichen Augen ſchmiegen,
wenn ſich der Sturm von der Kette losreiſſet — —
an dein allmaͤchtiges heiſſes Herz wollen wir zuruͤck¬
ſinken, wenn uns der eiſerne Tod einſchlaͤfert! in¬
dem es vorbeigeht! —

So giengen wir unſchuldig-zufrieden, ohne
Haſtigkeit und Heftigkeit den Wellen zu, die an
Fenks Landhaus ſpuͤlten. Sonderbar iſts, es giebt
Tage, wo wir freywillig unſer ſtilles fort-vibriren¬
des Vergnuͤgen von den aͤuſſern Gegenſtaͤnden uns
ſpediren laſſen (wodurch wir ungewoͤhnlich gegen
aͤchten Stoiziſmus verſtoßen) — noch ſonderbarer
iſts, daß manche Tage dieſes wirklich thun. — —

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[329/0339] Land zerreiſſen koͤnnen, ſo geglaͤttet, ſo bezaͤhmet, daß der heutige Sabbaths-Tag herauskoͤmmt, wo den breiten Fluͤgel des Schmetterlings kein Luͤft¬ chen ergreift oder um ein gefiedertes Staͤubgen be¬ rupft und wo das Kind ſo ruhig zwiſchen den Ele¬ menten Leviathans taͤndelt und laͤchelt. — Wenn das kein unendlicher Genius bezwungen hat, wenn wir dieſem Genius keine Zuſammenordnung unſers kuͤnftigen Schickſals und unſerer kuͤnftigen Welt zu¬ trauen.“ . . . . O unendlicher Genius der Erde! an deinen Bu¬ ſen wollen wir unſre kindlichen Augen ſchmiegen, wenn ſich der Sturm von der Kette losreiſſet — — an dein allmaͤchtiges heiſſes Herz wollen wir zuruͤck¬ ſinken, wenn uns der eiſerne Tod einſchlaͤfert! in¬ dem es vorbeigeht! — So giengen wir unſchuldig-zufrieden, ohne Haſtigkeit und Heftigkeit den Wellen zu, die an Fenks Landhaus ſpuͤlten. Sonderbar iſts, es giebt Tage, wo wir freywillig unſer ſtilles fort-vibriren¬ des Vergnuͤgen von den aͤuſſern Gegenſtaͤnden uns ſpediren laſſen (wodurch wir ungewoͤhnlich gegen aͤchten Stoiziſmus verſtoßen) — noch ſonderbarer iſts, daß manche Tage dieſes wirklich thun. — —

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/339>, abgerufen am 22.11.2024.