Eine IV. bessere Kaste, dächte man, könnt' es nach der dritten gar nicht geben: aber es giebt Menschen, die nicht bloß ein artistisches, sondern ein heiliges Auge auf die Schöpfung fallen lassen -- die in diese blühende Welt die zweite verpflanzen und unter die Geschöpfe den Schöpfer -- die unter dem Rauschen und Brausen des tausendzweigigen dicht eingelaub¬ ten Lebensbaums niederknien und mit dem darin wehenden Genius reden wollen, da sie selber nur geregte Blätter daran sind -- die den tiefen Tempel der Natur nicht als eine Villa voll Gemählde und Statuen sondern als eine h. Stätte der Andacht brauchen -- kurz die nicht bloß mit dem Auge, son¬ dern auch mit dem Herzen spatzieren gehen. . . .
Ich weiß kein grösseres Lob als daß ich von sol¬ chen Menschen leicht auf unser liebendes Paar hin¬ übergleiten kann -- die Liebe desselben ist ein solcher Spatziergang, das Leben der hohen Menschen ist auch ein solcher. -- Ich will nur noch, eh ich mich vom erdrückten Gras aufrichte, so viel bemerken, daß Gustavs Liebe ganz in die Realdefinition einpasset, die von ihr an einer schwärmerischen Sommermitter¬ nacht zu machen ist -- die edelste Liebe (kann man definieren) ist bloß die zarteste, tiefste, festeste Ach¬
Eine IV. beſſere Kaſte, daͤchte man, koͤnnt' es nach der dritten gar nicht geben: aber es giebt Menſchen, die nicht bloß ein artiſtiſches, ſondern ein heiliges Auge auf die Schoͤpfung fallen laſſen — die in dieſe bluͤhende Welt die zweite verpflanzen und unter die Geſchoͤpfe den Schoͤpfer — die unter dem Rauſchen und Brauſen des tauſendzweigigen dicht eingelaub¬ ten Lebensbaums niederknien und mit dem darin wehenden Genius reden wollen, da ſie ſelber nur geregte Blaͤtter daran ſind — die den tiefen Tempel der Natur nicht als eine Villa voll Gemaͤhlde und Statuen ſondern als eine h. Staͤtte der Andacht brauchen — kurz die nicht bloß mit dem Auge, ſon¬ dern auch mit dem Herzen ſpatzieren gehen. . . .
Ich weiß kein groͤſſeres Lob als daß ich von ſol¬ chen Menſchen leicht auf unſer liebendes Paar hin¬ uͤbergleiten kann — die Liebe deſſelben iſt ein ſolcher Spatziergang, das Leben der hohen Menſchen iſt auch ein ſolcher. — Ich will nur noch, eh ich mich vom erdruͤckten Gras aufrichte, ſo viel bemerken, daß Guſtavs Liebe ganz in die Realdefinition einpaſſet, die von ihr an einer ſchwaͤrmeriſchen Sommermitter¬ nacht zu machen iſt — die edelſte Liebe (kann man definieren) iſt bloß die zarteſte, tiefſte, feſteſte Ach¬
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Eine IV. beſſere Kaſte, daͤchte man, koͤnnt' es nach
der dritten gar nicht geben: aber es giebt Menſchen,
die nicht bloß ein artiſtiſches, ſondern ein heiliges
Auge auf die Schoͤpfung fallen laſſen — die in dieſe
bluͤhende Welt die zweite verpflanzen und unter die
Geſchoͤpfe den Schoͤpfer — die unter dem Rauſchen
und Brauſen des tauſendzweigigen dicht eingelaub¬
ten Lebensbaums niederknien und mit dem darin
wehenden Genius reden wollen, da ſie ſelber nur
geregte Blaͤtter daran ſind — die den tiefen Tempel
der Natur nicht als eine Villa voll Gemaͤhlde und
Statuen ſondern als eine h. Staͤtte der Andacht
brauchen — kurz die nicht bloß mit dem Auge, ſon¬
dern auch mit dem Herzen ſpatzieren gehen. . . .
Ich weiß kein groͤſſeres Lob als daß ich von ſol¬
chen Menſchen leicht auf unſer liebendes Paar hin¬
uͤbergleiten kann — die Liebe deſſelben iſt ein ſolcher
Spatziergang, das Leben der hohen Menſchen iſt
auch ein ſolcher. — Ich will nur noch, eh ich mich
vom erdruͤckten Gras aufrichte, ſo viel bemerken,
daß Guſtavs Liebe ganz in die Realdefinition einpaſſet,
die von ihr an einer ſchwaͤrmeriſchen Sommermitter¬
nacht zu machen iſt — die edelſte Liebe (kann man
definieren) iſt bloß die zarteſte, tiefſte, feſteſte Ach¬
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/344>, abgerufen am 22.11.2024.
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