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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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er silhouettirte: denn so viel hat auch der Dümm¬
ste noch aus Leibnitzens vorherbestimmten Harmonie
im Kopfe, daß die Seele, z. B. die Seelen eines
Forsters, Brydone, Björnstähls -- insgesammt
seßhaft auf dem Isolierschemmel der versteinerten
Zirbeldrüse -- ja nichts anders von Südindien oder
Europa beschreiben können als was jede sich davon
selber erdenkt und was sie, beim gänzlichen Man¬
gel äusserer Eindrücke, aus ihren fünf Kanker-
Spinnwarzen
vorspinnt und abzwirnt. Wuz
zerrete sein Reisejournal auch aus niemand anders
als aus sich.

Er schreibt über alles und wenn die gelehrte
Welt sich darüber wundert, daß er fünf Wochen
nach dem Abdruck der Wertherischen Leiden, einen
alten Flederwisch nahm und sich eine harte Spuhle
auszog und damit stehendes Fußes sie schrieb, die
Leiden, -- ganz Deutschland ahmte nachher seine
Leiden nach: -- so wundert sich niemand weniger
über die gelehrte Welt als ich: denn wie kann sie
Rousseau's Bekenntnisse gesehen und gelesen haben,
die Wuz schrieb und die Dato noch unter seinen
Papieren liegen? In diesen spricht aber J. J.
Rousseau oder Wuz (das ist einerlei) so von sich,

er ſilhouettirte: denn ſo viel hat auch der Duͤmm¬
ſte noch aus Leibnitzens vorherbeſtimmten Harmonie
im Kopfe, daß die Seele, z. B. die Seelen eines
Forſters, Brydone, Bjoͤrnſtaͤhls — insgeſammt
ſeßhaft auf dem Iſolierſchemmel der verſteinerten
Zirbeldruͤſe — ja nichts anders von Suͤdindien oder
Europa beſchreiben koͤnnen als was jede ſich davon
ſelber erdenkt und was ſie, beim gaͤnzlichen Man¬
gel aͤuſſerer Eindruͤcke, aus ihren fuͤnf Kanker-
Spinnwarzen
vorſpinnt und abzwirnt. Wuz
zerrete ſein Reiſejournal auch aus niemand anders
als aus ſich.

Er ſchreibt uͤber alles und wenn die gelehrte
Welt ſich daruͤber wundert, daß er fuͤnf Wochen
nach dem Abdruck der Wertheriſchen Leiden, einen
alten Flederwiſch nahm und ſich eine harte Spuhle
auszog und damit ſtehendes Fußes ſie ſchrieb, die
Leiden, — ganz Deutſchland ahmte nachher ſeine
Leiden nach: — ſo wundert ſich niemand weniger
uͤber die gelehrte Welt als ich: denn wie kann ſie
Rouſſeau's Bekenntniſſe geſehen und geleſen haben,
die Wuz ſchrieb und die Dato noch unter ſeinen
Papieren liegen? In dieſen ſpricht aber J. J.
Rouſſeau oder Wuz (das iſt einerlei) ſo von ſich,

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[380/0390] er ſilhouettirte: denn ſo viel hat auch der Duͤmm¬ ſte noch aus Leibnitzens vorherbeſtimmten Harmonie im Kopfe, daß die Seele, z. B. die Seelen eines Forſters, Brydone, Bjoͤrnſtaͤhls — insgeſammt ſeßhaft auf dem Iſolierſchemmel der verſteinerten Zirbeldruͤſe — ja nichts anders von Suͤdindien oder Europa beſchreiben koͤnnen als was jede ſich davon ſelber erdenkt und was ſie, beim gaͤnzlichen Man¬ gel aͤuſſerer Eindruͤcke, aus ihren fuͤnf Kanker- Spinnwarzen vorſpinnt und abzwirnt. Wuz zerrete ſein Reiſejournal auch aus niemand anders als aus ſich. Er ſchreibt uͤber alles und wenn die gelehrte Welt ſich daruͤber wundert, daß er fuͤnf Wochen nach dem Abdruck der Wertheriſchen Leiden, einen alten Flederwiſch nahm und ſich eine harte Spuhle auszog und damit ſtehendes Fußes ſie ſchrieb, die Leiden, — ganz Deutſchland ahmte nachher ſeine Leiden nach: — ſo wundert ſich niemand weniger uͤber die gelehrte Welt als ich: denn wie kann ſie Rouſſeau's Bekenntniſſe geſehen und geleſen haben, die Wuz ſchrieb und die Dato noch unter ſeinen Papieren liegen? In dieſen ſpricht aber J. J. Rouſſeau oder Wuz (das iſt einerlei) ſo von ſich,

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/390>, abgerufen am 25.11.2024.