Braut werden mir, wenns abgedruckt ist, von den Koketten und anderem Teufelszeuge gar ausgelacht: glaubt ihr denn aber, ihr städtischen di¬ stillierten und tättowirten Seelenverkäuferinnen, die ihr alles an Mannspersonen messet und liebt, ihr Herz ausgenommen, daß ich oder meine mei¬ sten Herren Leser dabei gleichgültig bleiben könnten oder daß wir nicht alle eure gespannten Wangen, eure zuckenden Lippen, eure mit Witz und Begier¬ de sengenden Augen und eure jedem Zufall gefügi¬ gen Taillen, und selber deine, Residentin von Bou¬ se, mit Spaß hingäben für eine einzige Szene, wo die Liebe ihre Stralen in dem Morgenroth des Schä¬ mens bricht, wo die unschuldige Seele sich vor jedem Aug' entkleidet, ihr eignes ausgenommen und wo hundert innere Kämpfe das durchsichtige Angesicht beseelen, und kurz worin mein Brautpaar selbst agir¬ te, da der alte lustige Kauz von Schwiegervater bei¬ der gekräuselten und weißblühenden Köpfe habhaft wurde und sie gescheut zu einem Kuß zusammenlenk¬ te? Dein freudiges Erröthen, lieber Wuz! -- und dein verschämtes, liebe Justine! --
Wer wird überhaupt diesen und dergleichen Sa¬ chen kurz vor seinen Sponsalien schärfer nachdenken
Braut werden mir, wenns abgedruckt iſt, von den Koketten und anderem Teufelszeuge gar ausgelacht: glaubt ihr denn aber, ihr ſtaͤdtiſchen di¬ ſtillierten und taͤttowirten Seelenverkaͤuferinnen, die ihr alles an Mannsperſonen meſſet und liebt, ihr Herz ausgenommen, daß ich oder meine mei¬ ſten Herren Leſer dabei gleichguͤltig bleiben koͤnnten oder daß wir nicht alle eure geſpannten Wangen, eure zuckenden Lippen, eure mit Witz und Begier¬ de ſengenden Augen und eure jedem Zufall gefuͤgi¬ gen Taillen, und ſelber deine, Reſidentin von Bou¬ ſe, mit Spaß hingaͤben fuͤr eine einzige Szene, wo die Liebe ihre Stralen in dem Morgenroth des Schaͤ¬ mens bricht, wo die unſchuldige Seele ſich vor jedem Aug' entkleidet, ihr eignes ausgenommen und wo hundert innere Kaͤmpfe das durchſichtige Angeſicht beſeelen, und kurz worin mein Brautpaar ſelbſt agir¬ te, da der alte luſtige Kauz von Schwiegervater bei¬ der gekraͤuſelten und weißbluͤhenden Koͤpfe habhaft wurde und ſie geſcheut zu einem Kuß zuſammenlenk¬ te? Dein freudiges Erroͤthen, lieber Wuz! — und dein verſchaͤmtes, liebe Juſtine! —
Wer wird uͤberhaupt dieſen und dergleichen Sa¬ chen kurz vor ſeinen Sponſalien ſchaͤrfer nachdenken
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Braut werden mir, wenns abgedruckt iſt, von den
Koketten und anderem Teufelszeuge gar ausgelacht:
glaubt ihr denn aber, ihr ſtaͤdtiſchen di¬
ſtillierten und taͤttowirten Seelenverkaͤuferinnen,
die ihr alles an Mannsperſonen meſſet und liebt,
ihr Herz ausgenommen, daß ich oder meine mei¬
ſten Herren Leſer dabei gleichguͤltig bleiben koͤnnten
oder daß wir nicht alle eure geſpannten Wangen,
eure zuckenden Lippen, eure mit Witz und Begier¬
de ſengenden Augen und eure jedem Zufall gefuͤgi¬
gen Taillen, und ſelber deine, Reſidentin von Bou¬
ſe, mit Spaß hingaͤben fuͤr eine einzige Szene, wo
die Liebe ihre Stralen in dem Morgenroth des Schaͤ¬
mens bricht, wo die unſchuldige Seele ſich vor jedem
Aug' entkleidet, ihr eignes ausgenommen und wo
hundert innere Kaͤmpfe das durchſichtige Angeſicht
beſeelen, und kurz worin mein Brautpaar ſelbſt agir¬
te, da der alte luſtige Kauz von Schwiegervater bei¬
der gekraͤuſelten und weißbluͤhenden Koͤpfe habhaft
wurde und ſie geſcheut zu einem Kuß zuſammenlenk¬
te? Dein freudiges Erroͤthen, lieber Wuz! — und
dein verſchaͤmtes, liebe Juſtine! —
Wer wird uͤberhaupt dieſen und dergleichen Sa¬
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/436>, abgerufen am 22.11.2024.
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