zu meinem Berge heran -- es verschlingt Sonnen, erquetscht Erden, tritt einen Mond aus und ragt hoch hinein in das Nichts -- das hohe weisse Ge¬ bein durchschneidet die Nacht, hält zwei Men¬ schen an den Händen, blickt mich an und sagt: "ich bin der Tod -- ich habe an jeder Hand einen "Freund von dir, aber sie sind unkenntlich."
Mein Mund lag auf die Erde gestürzt, mein Herz schwamm im Gift des Todes -- aber ich hört' ihn noch sterbend reden.
"Ich tödte dich jetzt auch, du hast meinen Na¬ "men oft genennt und ich habe dich gehört -- ich "habe schon eine Ewigkeit zerbröckelt und greife in "alle Welten hinein und erdrücke; ich steige aus "den Sonnen in euren dumpfen, finstern Winkel "nieder, wo der Menschen-Salpeter anschießet "und streich' ihn ab. . . . Lebst du noch Sterbli¬ "cher?". . . .
Da zergieng mein verblutetes Herz in eine Thräne über die Qualen des Menschen -- ich rich¬ tete mich gebrochen auf und schauete nicht auf dies Skelet und auf das was es führte -- ich blickte auf zu dem Sirius und rief mit der letzten Angst: ver¬ hüllter Vater, lässest du mich vernichten? sind
zu meinem Berge heran — es verſchlingt Sonnen, erquetſcht Erden, tritt einen Mond aus und ragt hoch hinein in das Nichts — das hohe weiſſe Ge¬ bein durchſchneidet die Nacht, haͤlt zwei Men¬ ſchen an den Haͤnden, blickt mich an und ſagt: „ich bin der Tod — ich habe an jeder Hand einen „Freund von dir, aber ſie ſind unkenntlich.“
Mein Mund lag auf die Erde geſtuͤrzt, mein Herz ſchwamm im Gift des Todes — aber ich hoͤrt' ihn noch ſterbend reden.
„Ich toͤdte dich jetzt auch, du haſt meinen Na¬ „men oft genennt und ich habe dich gehoͤrt — ich „habe ſchon eine Ewigkeit zerbroͤckelt und greife in „alle Welten hinein und erdruͤcke; ich ſteige aus „den Sonnen in euren dumpfen, finſtern Winkel „nieder, wo der Menſchen-Salpeter anſchießet „und ſtreich' ihn ab. . . . Lebſt du noch Sterbli¬ „cher?“. . . .
Da zergieng mein verblutetes Herz in eine Thraͤne uͤber die Qualen des Menſchen — ich rich¬ tete mich gebrochen auf und ſchauete nicht auf dies Skelet und auf das was es fuͤhrte — ich blickte auf zu dem Sirius und rief mit der letzten Angſt: ver¬ huͤllter Vater, laͤſſeſt du mich vernichten? ſind
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zu meinem Berge heran — es verſchlingt Sonnen,
erquetſcht Erden, tritt einen Mond aus und ragt
hoch hinein in das Nichts — das hohe weiſſe Ge¬
bein durchſchneidet die Nacht, haͤlt zwei Men¬
ſchen an den Haͤnden, blickt mich an und ſagt:
„ich bin der Tod — ich habe an jeder Hand einen
„Freund von dir, aber ſie ſind unkenntlich.“
Mein Mund lag auf die Erde geſtuͤrzt, mein
Herz ſchwamm im Gift des Todes — aber ich hoͤrt'
ihn noch ſterbend reden.
„Ich toͤdte dich jetzt auch, du haſt meinen Na¬
„men oft genennt und ich habe dich gehoͤrt — ich
„habe ſchon eine Ewigkeit zerbroͤckelt und greife in
„alle Welten hinein und erdruͤcke; ich ſteige aus
„den Sonnen in euren dumpfen, finſtern Winkel
„nieder, wo der Menſchen-Salpeter anſchießet
„und ſtreich' ihn ab. . . . Lebſt du noch Sterbli¬
„cher?“. . . .
Da zergieng mein verblutetes Herz in eine
Thraͤne uͤber die Qualen des Menſchen — ich rich¬
tete mich gebrochen auf und ſchauete nicht auf dies
Skelet und auf das was es fuͤhrte — ich blickte auf
zu dem Sirius und rief mit der letzten Angſt: ver¬
huͤllter Vater, laͤſſeſt du mich vernichten? ſind
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/465>, abgerufen am 23.05.2024.
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