Augen in die unendliche Welt über diesem Leben -- mein an ein reineres Vaterland geknüpftes Erden¬ herz schlägt gegen deinen Sternenhimmel empor, Unendlicher, gegen das Sternenbild deiner gränzenlosen Gestalt, und ich werde groß und ewig durch deine Stimme in meinem edelsten Innern: du wirst nie vergehen. -- --
Und so wer mit mir sich einer Stunde erin¬ nert, wo ihm der Engel des Friedens erschien und ihm theuere Seelen aus der irdischen Umarmung zog, ach wer sich einer erinnert, wo er zu viel verlohr -- der bezwinge das Sehnen und sehe mit mir fest zu den Wolken auf und sage: ruhet im¬ merhin auf eurem Gewölke aus, ihr entrückten Geliebten! Ihr zählt die Jahrhunderte nicht, die zwischen eurem Abend und eurem Morgen ver¬ fließen, kein Stein liegt mehr auf eurem bedeckten Herzen als der Leichenstein und dieser drücket nicht, und euer Ruhen stöhret nicht einmal ein Gedan¬ ke an uns. . . .
Tief im Menschen ruht etwas unbezwingliches, das der Schmerz nur betäubt, nicht besiegt -- dar¬ um dauert er ein Leben aus, wo der beste nur Laub trägt, darum wacht er fest die Nächte dieser westli¬
Augen in die unendliche Welt uͤber dieſem Leben — mein an ein reineres Vaterland geknuͤpftes Erden¬ herz ſchlaͤgt gegen deinen Sternenhimmel empor, Unendlicher, gegen das Sternenbild deiner graͤnzenloſen Geſtalt, und ich werde groß und ewig durch deine Stimme in meinem edelſten Innern: du wirſt nie vergehen. — —
Und ſo wer mit mir ſich einer Stunde erin¬ nert, wo ihm der Engel des Friedens erſchien und ihm theuere Seelen aus der irdiſchen Umarmung zog, ach wer ſich einer erinnert, wo er zu viel verlohr — der bezwinge das Sehnen und ſehe mit mir feſt zu den Wolken auf und ſage: ruhet im¬ merhin auf eurem Gewoͤlke aus, ihr entruͤckten Geliebten! Ihr zaͤhlt die Jahrhunderte nicht, die zwiſchen eurem Abend und eurem Morgen ver¬ fließen, kein Stein liegt mehr auf eurem bedeckten Herzen als der Leichenſtein und dieſer druͤcket nicht, und euer Ruhen ſtoͤhret nicht einmal ein Gedan¬ ke an uns. . . .
Tief im Menſchen ruht etwas unbezwingliches, das der Schmerz nur betaͤubt, nicht beſiegt — dar¬ um dauert er ein Leben aus, wo der beſte nur Laub traͤgt, darum wacht er feſt die Naͤchte dieſer weſtli¬
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Augen in die unendliche Welt uͤber dieſem Leben —
mein an ein reineres Vaterland geknuͤpftes Erden¬
herz ſchlaͤgt gegen deinen Sternenhimmel empor,
Unendlicher, gegen das Sternenbild deiner
graͤnzenloſen Geſtalt, und ich werde groß und ewig
durch deine Stimme in meinem edelſten Innern:
du wirſt nie vergehen. — —
Und ſo wer mit mir ſich einer Stunde erin¬
nert, wo ihm der Engel des Friedens erſchien und
ihm theuere Seelen aus der irdiſchen Umarmung
zog, ach wer ſich einer erinnert, wo er zu viel
verlohr — der bezwinge das Sehnen und ſehe mit
mir feſt zu den Wolken auf und ſage: ruhet im¬
merhin auf eurem Gewoͤlke aus, ihr entruͤckten
Geliebten! Ihr zaͤhlt die Jahrhunderte nicht, die
zwiſchen eurem Abend und eurem Morgen ver¬
fließen, kein Stein liegt mehr auf eurem bedeckten
Herzen als der Leichenſtein und dieſer druͤcket nicht,
und euer Ruhen ſtoͤhret nicht einmal ein Gedan¬
ke an uns. . . .
Tief im Menſchen ruht etwas unbezwingliches,
das der Schmerz nur betaͤubt, nicht beſiegt — dar¬
um dauert er ein Leben aus, wo der beſte nur Laub
traͤgt, darum wacht er feſt die Naͤchte dieſer weſtli¬
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/469>, abgerufen am 21.11.2024.
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