und Amputationen und überhaupt das üble Wetter jenes Standes ausdauere -- zweitens damit jene Damen (im Vertrauen auf die Unsterblichkeit und lange Lebenslinie ihrer Tugend) ihren Freuden, de¬ ren physische Gränzen ohnehin so enge sind, we¬ nigstens keine moralischen zu setzen brauchen.
Ich komme wieder zu den tugendhaften Ohn¬ machten oder erotischen Sterben der Ministerin zu¬ rück; ich will mich aber nicht dabei aufhalten, daß ich etwann sagte, wie die alte Philosophie die Kunst sterben zu lernen sei, so sei es auch die französische Hof-Philosophie aber angenehmer -- oder daß ich witziger Weise sagte qui (quae) scit mori, cogi nequit -- oder daß ich Senekas Aus¬ spruch über Kato auf die Ministerin zöge: majori animo repetitur mors quam initur: sondern ich er¬ zähle bloß, warum sie überall in Oberscheerau die defaillante heißet -- bloß darum, weil ein gewis¬ ser Herr auf die Frage, wie sie einen wichtigen Prozeß trotz dem versäumten Präklusionstermin doch gewonnen hätte, doppelsinnig replizierte: en defaillante. . . .
Ich komme zurück. Aber ich wäre ein glückli¬ cher Mann, wenn die Zeit sich niedersetzte und
und Amputationen und uͤberhaupt das uͤble Wetter jenes Standes ausdauere — zweitens damit jene Damen (im Vertrauen auf die Unſterblichkeit und lange Lebenslinie ihrer Tugend) ihren Freuden, de¬ ren phyſiſche Graͤnzen ohnehin ſo enge ſind, we¬ nigſtens keine moraliſchen zu ſetzen brauchen.
Ich komme wieder zu den tugendhaften Ohn¬ machten oder erotiſchen Sterben der Miniſterin zu¬ ruͤck; ich will mich aber nicht dabei aufhalten, daß ich etwann ſagte, wie die alte Philoſophie die Kunſt ſterben zu lernen ſei, ſo ſei es auch die franzoͤſiſche Hof-Philoſophie aber angenehmer — oder daß ich witziger Weiſe ſagte qui (quae) ſcit mori, cogi nequit — oder daß ich Senekas Aus¬ ſpruch uͤber Kato auf die Miniſterin zoͤge: majori animo repetitur mors quam initur: ſondern ich er¬ zaͤhle bloß, warum ſie uͤberall in Oberſcheerau die défaillante heißet — bloß darum, weil ein gewiſ¬ ſer Herr auf die Frage, wie ſie einen wichtigen Prozeß trotz dem verſaͤumten Praͤkluſionstermin doch gewonnen haͤtte, doppelſinnig replizierte: en défaillante. . . .
Ich komme zuruͤck. Aber ich waͤre ein gluͤckli¬ cher Mann, wenn die Zeit ſich niederſetzte und
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und Amputationen und uͤberhaupt das uͤble Wetter
jenes Standes ausdauere — zweitens damit jene
Damen (im Vertrauen auf die Unſterblichkeit und
lange Lebenslinie ihrer Tugend) ihren Freuden, de¬
ren phyſiſche Graͤnzen ohnehin ſo enge ſind, we¬
nigſtens keine moraliſchen zu ſetzen brauchen.
Ich komme wieder zu den tugendhaften Ohn¬
machten oder erotiſchen Sterben der Miniſterin zu¬
ruͤck; ich will mich aber nicht dabei aufhalten, daß
ich etwann ſagte, wie die alte Philoſophie die
Kunſt ſterben zu lernen ſei, ſo ſei es auch die
franzoͤſiſche Hof-Philoſophie aber angenehmer —
oder daß ich witziger Weiſe ſagte qui (quae) ſcit
mori, cogi nequit — oder daß ich Senekas Aus¬
ſpruch uͤber Kato auf die Miniſterin zoͤge: majori
animo repetitur mors quam initur: ſondern ich er¬
zaͤhle bloß, warum ſie uͤberall in Oberſcheerau die
défaillante heißet — bloß darum, weil ein gewiſ¬
ſer Herr auf die Frage, wie ſie einen wichtigen
Prozeß trotz dem verſaͤumten Praͤkluſionstermin
doch gewonnen haͤtte, doppelſinnig replizierte: en
défaillante. . . .
Ich komme zuruͤck. Aber ich waͤre ein gluͤckli¬
cher Mann, wenn die Zeit ſich niederſetzte und
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/53>, abgerufen am 21.05.2024.
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