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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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sein Auge, sein Herz und seine Zeichenfeder an,
um diese drei Dinge zu verrücken! sie zittern we¬
nigstens alle, indem die Mutter die Händgen der
Laura in eine mahlerische und kindliche Umschlin¬
gung legt -- indem sie schweigend, traurend, mit
den Lippenwellen gegen den Kummer des Auges
streitend, ihm denkend in das seine blickt und mit
der nächsten Hand das Haar der Kleinen spielend
krümmt -- -- Wahrhaftig zehnmal dacht' er:
wenn ein Engel einen Körper umthun wollte: der
menschliche wäre nicht zu schlecht dazu und er könn¬
te in dieser Reise-Uniform in jeder Sonne er¬
scheinen!

Seine Zeichnung wurde so treffend, daß der
Residentin vielleicht ein Paar Unähnlichkeiten lieber
gewesen wären -- sie hätten größere Aehnlichkeit
ihres zweiten Bildes in ihm angesagt. Sie kam
jezt durch sanfte, nicht -- wie sonst humoristisch
springende Uebergänge von seinem Mahler-
Lohn und von den Nachtheilen seiner Erziehung
auf die Vorbereitungen zu seiner Legationsrolle --
sie deckte ihm, aber mit langsamer vertraulicher
Hand, seinen Mangel an Welt auf -- sie bot ihm
ihren Zutritt zu sich an und lud ihn zum Souper

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ſein Auge, ſein Herz und ſeine Zeichenfeder an,
um dieſe drei Dinge zu verruͤcken! ſie zittern we¬
nigſtens alle, indem die Mutter die Haͤndgen der
Laura in eine mahleriſche und kindliche Umſchlin¬
gung legt — indem ſie ſchweigend, traurend, mit
den Lippenwellen gegen den Kummer des Auges
ſtreitend, ihm denkend in das ſeine blickt und mit
der naͤchſten Hand das Haar der Kleinen ſpielend
kruͤmmt — — Wahrhaftig zehnmal dacht' er:
wenn ein Engel einen Koͤrper umthun wollte: der
menſchliche waͤre nicht zu ſchlecht dazu und er koͤnn¬
te in dieſer Reiſe-Uniform in jeder Sonne er¬
ſcheinen!

Seine Zeichnung wurde ſo treffend, daß der
Reſidentin vielleicht ein Paar Unaͤhnlichkeiten lieber
geweſen waͤren — ſie haͤtten groͤßere Aehnlichkeit
ihres zweiten Bildes in ihm angeſagt. Sie kam
jezt durch ſanfte, nicht — wie ſonſt humoriſtiſch
ſpringende Uebergaͤnge von ſeinem Mahler-
Lohn und von den Nachtheilen ſeiner Erziehung
auf die Vorbereitungen zu ſeiner Legationsrolle —
ſie deckte ihm, aber mit langſamer vertraulicher
Hand, ſeinen Mangel an Welt auf — ſie bot ihm
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D 2
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[51/0061] ſein Auge, ſein Herz und ſeine Zeichenfeder an, um dieſe drei Dinge zu verruͤcken! ſie zittern we¬ nigſtens alle, indem die Mutter die Haͤndgen der Laura in eine mahleriſche und kindliche Umſchlin¬ gung legt — indem ſie ſchweigend, traurend, mit den Lippenwellen gegen den Kummer des Auges ſtreitend, ihm denkend in das ſeine blickt und mit der naͤchſten Hand das Haar der Kleinen ſpielend kruͤmmt — — Wahrhaftig zehnmal dacht' er: wenn ein Engel einen Koͤrper umthun wollte: der menſchliche waͤre nicht zu ſchlecht dazu und er koͤnn¬ te in dieſer Reiſe-Uniform in jeder Sonne er¬ ſcheinen! Seine Zeichnung wurde ſo treffend, daß der Reſidentin vielleicht ein Paar Unaͤhnlichkeiten lieber geweſen waͤren — ſie haͤtten groͤßere Aehnlichkeit ihres zweiten Bildes in ihm angeſagt. Sie kam jezt durch ſanfte, nicht — wie ſonſt humoriſtiſch ſpringende Uebergaͤnge von ſeinem Mahler- Lohn und von den Nachtheilen ſeiner Erziehung auf die Vorbereitungen zu ſeiner Legationsrolle — ſie deckte ihm, aber mit langſamer vertraulicher Hand, ſeinen Mangel an Welt auf — ſie bot ihm ihren Zutritt zu ſich an und lud ihn zum Souper D 2

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/61>, abgerufen am 22.11.2024.