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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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nichts leuchtet mir so ein -- an die sie, Renne¬
rin durch Lusthaine, die flatternde Schlinge eines
halben Planes fliehend befestigt, ohne in ihrem Le¬
ben am andern Tag nach dem strangulirten Fang der
Dohnenschnait im mindesten zu sehen? -- oder irr'
ich gänzlich, lieber Autor, und ist vielleicht von al¬
len diesen Möglichkeiten keine wahr?" -- oder, lie¬
ber Leser, sind sie alle auf einmal wahr und du errä¬
thest darum eine Launenhafte nicht, weil du ihr we¬
niger Widersprüche als Reize zutrauest? -- die Leser
bestärken mich in meiner Bemerkung, daß Personen,
die niemals die Gelegenheit haben konnten, der gros¬
sen Welt tägliche Klavierstunden zu geben, (wie z.
B. leider die sonst treflichen Leser,) zwar alle mög¬
liche
Fälle irgend eines Karakters vorzurechnen
aber nicht den wirklichen auszuheben vermögend
sind. -- Uebrigens verlasse sich der Leser auf mich,
(der ich schwerlich ohne Grund Vorzüge verkleinern
würde, die mir selber ansitzen,) übrigens hat er die
Armuth an gewissen konventionellen Grazien, an
gewissen leichten modischen und giftigen Reizen, die
ein Hof nie versagt, weit weniger zu bedauern als
andre Höflinge -- der Autor wünschte nicht darun¬
ter zu gehören -- ihren Reichthum an dergleichen

nichts leuchtet mir ſo ein — an die ſie, Renne¬
rin durch Luſthaine, die flatternde Schlinge eines
halben Planes fliehend befeſtigt, ohne in ihrem Le¬
ben am andern Tag nach dem ſtrangulirten Fang der
Dohnenſchnait im mindeſten zu ſehen? — oder irr'
ich gaͤnzlich, lieber Autor, und iſt vielleicht von al¬
len dieſen Moͤglichkeiten keine wahr?“ — oder, lie¬
ber Leſer, ſind ſie alle auf einmal wahr und du erraͤ¬
theſt darum eine Launenhafte nicht, weil du ihr we¬
niger Widerſpruͤche als Reize zutraueſt? — die Leſer
beſtaͤrken mich in meiner Bemerkung, daß Perſonen,
die niemals die Gelegenheit haben konnten, der groſ¬
ſen Welt taͤgliche Klavierſtunden zu geben, (wie z.
B. leider die ſonſt treflichen Leſer,) zwar alle moͤg¬
liche
Faͤlle irgend eines Karakters vorzurechnen
aber nicht den wirklichen auszuheben vermoͤgend
ſind. — Uebrigens verlaſſe ſich der Leſer auf mich,
(der ich ſchwerlich ohne Grund Vorzuͤge verkleinern
wuͤrde, die mir ſelber anſitzen,) uͤbrigens hat er die
Armuth an gewiſſen konventionellen Grazien, an
gewiſſen leichten modiſchen und giftigen Reizen, die
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andre Hoͤflinge — der Autor wuͤnſchte nicht darun¬
ter zu gehoͤren — ihren Reichthum an dergleichen

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[53/0063] nichts leuchtet mir ſo ein — an die ſie, Renne¬ rin durch Luſthaine, die flatternde Schlinge eines halben Planes fliehend befeſtigt, ohne in ihrem Le¬ ben am andern Tag nach dem ſtrangulirten Fang der Dohnenſchnait im mindeſten zu ſehen? — oder irr' ich gaͤnzlich, lieber Autor, und iſt vielleicht von al¬ len dieſen Moͤglichkeiten keine wahr?“ — oder, lie¬ ber Leſer, ſind ſie alle auf einmal wahr und du erraͤ¬ theſt darum eine Launenhafte nicht, weil du ihr we¬ niger Widerſpruͤche als Reize zutraueſt? — die Leſer beſtaͤrken mich in meiner Bemerkung, daß Perſonen, die niemals die Gelegenheit haben konnten, der groſ¬ ſen Welt taͤgliche Klavierſtunden zu geben, (wie z. B. leider die ſonſt treflichen Leſer,) zwar alle moͤg¬ liche Faͤlle irgend eines Karakters vorzurechnen aber nicht den wirklichen auszuheben vermoͤgend ſind. — Uebrigens verlaſſe ſich der Leſer auf mich, (der ich ſchwerlich ohne Grund Vorzuͤge verkleinern wuͤrde, die mir ſelber anſitzen,) uͤbrigens hat er die Armuth an gewiſſen konventionellen Grazien, an gewiſſen leichten modiſchen und giftigen Reizen, die ein Hof nie verſagt, weit weniger zu bedauern als andre Hoͤflinge — der Autor wuͤnſchte nicht darun¬ ter zu gehoͤren — ihren Reichthum an dergleichen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/63>, abgerufen am 22.11.2024.