als zehnmal sterben. Bei jedem Vogel, den sie aus dem Bette jagten, dacht' er, wie wirst du im finstern dein Aestgen wieder finden -- bei jedem zerfließenden Licht, das weit von ihm durch die Nacht wandelte, dacht' er, welchen Seufzern, welchen sauern Schritten wird es jezt den langwei¬ ligen Steig beleuchten und es war ihm als säh' er das menschliche Leben gehen. Es macht' ihn nicht fröhlicher, als er einige Sonnenwägen, von ei¬ nem Sonnenhof aus Fackeln umlegt, die unnützen Gäste des Souper, das sie wie er jezt verließen, so fliegend heimrollen sah als führen sie einem ster¬ benden Freunde entgegen. Endlich wickelte sich die schlummernde Stadt aus den Schatten heraus; das Pharuslicht des Thürmers und einige weit ausein¬ ander gesäete Lichter, die wahrscheinlich die lange lange Nacht eines Kranken trübe und ungeputzt abmaßen, fielen auf den Trauer-Grund seines Innern:
Leise pochten sie am Krankenhause, leise wur¬ de aufgemacht, leise stieg er hinauf: bloß die Uhr lärmte, wie ein Trauergeläute ins stumme Trau¬ erhaus, mit ihren zwölf Schlägen, die er da so oft gehört. -- Ach im Bett litt eine Gestallt, der
als zehnmal ſterben. Bei jedem Vogel, den ſie aus dem Bette jagten, dacht' er, wie wirſt du im finſtern dein Aeſtgen wieder finden — bei jedem zerfließenden Licht, das weit von ihm durch die Nacht wandelte, dacht' er, welchen Seufzern, welchen ſauern Schritten wird es jezt den langwei¬ ligen Steig beleuchten und es war ihm als ſaͤh' er das menſchliche Leben gehen. Es macht' ihn nicht froͤhlicher, als er einige Sonnenwaͤgen, von ei¬ nem Sonnenhof aus Fackeln umlegt, die unnuͤtzen Gaͤſte des Souper, das ſie wie er jezt verließen, ſo fliegend heimrollen ſah als fuͤhren ſie einem ſter¬ benden Freunde entgegen. Endlich wickelte ſich die ſchlummernde Stadt aus den Schatten heraus; das Pharuslicht des Thuͤrmers und einige weit ausein¬ ander geſaͤete Lichter, die wahrſcheinlich die lange lange Nacht eines Kranken truͤbe und ungeputzt abmaßen, fielen auf den Trauer-Grund ſeines Innern:
Leiſe pochten ſie am Krankenhauſe, leiſe wur¬ de aufgemacht, leiſe ſtieg er hinauf: bloß die Uhr laͤrmte, wie ein Trauergelaͤute ins ſtumme Trau¬ erhaus, mit ihren zwoͤlf Schlaͤgen, die er da ſo oft gehoͤrt. — Ach im Bett litt eine Geſtallt, der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0094"n="84"/>
als zehnmal ſterben. Bei jedem Vogel, den ſie<lb/>
aus dem Bette jagten, dacht' er, wie wirſt du<lb/>
im finſtern dein Aeſtgen wieder finden — bei jedem<lb/>
zerfließenden Licht, das weit von ihm durch die<lb/>
Nacht wandelte, dacht' er, welchen Seufzern,<lb/>
welchen ſauern Schritten wird es jezt den langwei¬<lb/>
ligen Steig beleuchten und es war ihm als ſaͤh' er<lb/>
das menſchliche Leben gehen. Es macht' ihn nicht<lb/>
froͤhlicher, als er einige Sonnenwaͤgen, von ei¬<lb/>
nem Sonnenhof aus Fackeln umlegt, die unnuͤtzen<lb/>
Gaͤſte des <hirendition="#aq">Souper</hi>, das ſie wie er jezt verließen, ſo<lb/>
fliegend heimrollen ſah als fuͤhren ſie einem ſter¬<lb/>
benden Freunde entgegen. Endlich wickelte ſich die<lb/>ſchlummernde Stadt aus den Schatten heraus; das<lb/>
Pharuslicht des Thuͤrmers und einige weit ausein¬<lb/>
ander geſaͤete Lichter, die wahrſcheinlich die lange<lb/>
lange Nacht eines Kranken truͤbe und ungeputzt<lb/>
abmaßen, fielen auf den Trauer-Grund ſeines<lb/>
Innern:</p><lb/><p>Leiſe pochten ſie am Krankenhauſe, leiſe wur¬<lb/>
de aufgemacht, leiſe ſtieg er hinauf: bloß die Uhr<lb/>
laͤrmte, wie ein Trauergelaͤute ins ſtumme Trau¬<lb/>
erhaus, mit ihren zwoͤlf Schlaͤgen, die er da ſo<lb/>
oft gehoͤrt. — Ach im Bett litt eine Geſtallt, der<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[84/0094]
als zehnmal ſterben. Bei jedem Vogel, den ſie
aus dem Bette jagten, dacht' er, wie wirſt du
im finſtern dein Aeſtgen wieder finden — bei jedem
zerfließenden Licht, das weit von ihm durch die
Nacht wandelte, dacht' er, welchen Seufzern,
welchen ſauern Schritten wird es jezt den langwei¬
ligen Steig beleuchten und es war ihm als ſaͤh' er
das menſchliche Leben gehen. Es macht' ihn nicht
froͤhlicher, als er einige Sonnenwaͤgen, von ei¬
nem Sonnenhof aus Fackeln umlegt, die unnuͤtzen
Gaͤſte des Souper, das ſie wie er jezt verließen, ſo
fliegend heimrollen ſah als fuͤhren ſie einem ſter¬
benden Freunde entgegen. Endlich wickelte ſich die
ſchlummernde Stadt aus den Schatten heraus; das
Pharuslicht des Thuͤrmers und einige weit ausein¬
ander geſaͤete Lichter, die wahrſcheinlich die lange
lange Nacht eines Kranken truͤbe und ungeputzt
abmaßen, fielen auf den Trauer-Grund ſeines
Innern:
Leiſe pochten ſie am Krankenhauſe, leiſe wur¬
de aufgemacht, leiſe ſtieg er hinauf: bloß die Uhr
laͤrmte, wie ein Trauergelaͤute ins ſtumme Trau¬
erhaus, mit ihren zwoͤlf Schlaͤgen, die er da ſo
oft gehoͤrt. — Ach im Bett litt eine Geſtallt, der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/94>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.