Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.so daß ich dir ganze lange Nächte ins anatomie¬ Der Doktor Fenk hatt' in seinem Gesicht nicht ſo daß ich dir ganze lange Naͤchte ins anatomie¬ Der Doktor Fenk hatt' in ſeinem Geſicht nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0097" n="87"/> ſo daß ich dir ganze lange Naͤchte ins anatomie¬<lb/> rende Geſicht ſehen muß oder daß unter deinem<lb/> langen Seidenzupfen meines Seelenkleides alles<lb/> herlaͤuft und geſund zuſieht, der Rittmeiſter, der<lb/> Peſtilenziarius und meine gute Schweſter — reitet<lb/> dich aber der Henker, daß du keine Vernunft an¬<lb/> nimmſt: ſo lieber Tod — da <hi rendition="#g">keine</hi> Hoͤlle ewig<lb/> dauert — ſcheer' ich mich auch nichts darum, um<lb/> die letzte Scheererei, nach tauſend Scheerereien.</p><lb/> <p>Der Doktor Fenk hatt' in ſeinem Geſicht nicht<lb/> die Aengſtlichkeit vor einem kommenden Verluſt<lb/> ſondern das Trauern uͤber einen Dageweſenen; er<lb/> hielt ſeinen Sohn fuͤr ein zerſchlagenes Porzellan-<lb/> Gefaͤß, deſſen Scherben man noch in der alten<lb/> Zuſammenſetzung auf den Putzſchrank ſtellt und das<lb/> von deſſen kleinſter Erſchuͤtterung auseinander faͤllt.<lb/> Er verbot ihm daher nichts mehr. Er nahm ſogar<lb/> einige maͤnnliche Patienten an, „weil er zu Hau¬<lb/> ſe einen haͤtte und ſich den Gedanken an ihn weg¬<lb/> kurieren wollte.” Der Kranke ſelber hoͤrte ſchon<lb/> den Abendwind ſeines Lebens wehen. Vor einigen<lb/> Wochen glaubte er zwar noch, im Fruͤhlinge<lb/> koͤnnt' er den Scheerauer Geſundbrunnen in Lilien¬<lb/> bad trinken und dann wuͤrd' es ſchon anders mit<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [87/0097]
ſo daß ich dir ganze lange Naͤchte ins anatomie¬
rende Geſicht ſehen muß oder daß unter deinem
langen Seidenzupfen meines Seelenkleides alles
herlaͤuft und geſund zuſieht, der Rittmeiſter, der
Peſtilenziarius und meine gute Schweſter — reitet
dich aber der Henker, daß du keine Vernunft an¬
nimmſt: ſo lieber Tod — da keine Hoͤlle ewig
dauert — ſcheer' ich mich auch nichts darum, um
die letzte Scheererei, nach tauſend Scheerereien.
Der Doktor Fenk hatt' in ſeinem Geſicht nicht
die Aengſtlichkeit vor einem kommenden Verluſt
ſondern das Trauern uͤber einen Dageweſenen; er
hielt ſeinen Sohn fuͤr ein zerſchlagenes Porzellan-
Gefaͤß, deſſen Scherben man noch in der alten
Zuſammenſetzung auf den Putzſchrank ſtellt und das
von deſſen kleinſter Erſchuͤtterung auseinander faͤllt.
Er verbot ihm daher nichts mehr. Er nahm ſogar
einige maͤnnliche Patienten an, „weil er zu Hau¬
ſe einen haͤtte und ſich den Gedanken an ihn weg¬
kurieren wollte.” Der Kranke ſelber hoͤrte ſchon
den Abendwind ſeines Lebens wehen. Vor einigen
Wochen glaubte er zwar noch, im Fruͤhlinge
koͤnnt' er den Scheerauer Geſundbrunnen in Lilien¬
bad trinken und dann wuͤrd' es ſchon anders mit
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