Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

längst durch Albano die Einladung und das
Verziehen aller Gewitter und des neuen Kom¬
mis Ankunft sagen lassen. Wehmeier aß eigent¬
lich mit dem größten Widerwillen bei einem
Edelmanne, bloß weil er wie ein speisender Ak¬
teur des Tisches mit Reden, savoir vivre, Auf¬
passen, Halten aller Gliedmaßen und Spedi¬
ren aller Eßwaaren so viel zu thun hatte, daß
er aus Mangel an Muße kleine Dinge --
z. B. Essiggurken, Kastanien, Krebsschwänze --
bloß im Ganzen und ohne Geschmack ver¬
schluckte, so daß er nachher das Hartfutter wie
einen verschlungnen Jonas oft drei Tage in
der Waidtasche seines Magens herumtragen
mußte. Allein diesesmal zog er sich gern zum
Essen an, weil er auf seinen pädagogischen
Nebenmann neugierig und ungehalten war,
und das aus Angst, der neue Mitpäch¬
ter gebe vielleicht die herrliche Wintersaat
in Albans besäetem Lande für seine eigne
Sommersaat aus. Er schrieb seiner abbre¬
virten Lehrmethode alle Wunderkräfte seines
Lehrlings, d. h. dem Boden aus Wasser den

längſt durch Albano die Einladung und das
Verziehen aller Gewitter und des neuen Kom¬
mis Ankunft ſagen laſſen. Wehmeier aß eigent¬
lich mit dem größten Widerwillen bei einem
Edelmanne, bloß weil er wie ein ſpeiſender Ak¬
teur des Tiſches mit Reden, savoir vivre, Auf¬
paſſen, Halten aller Gliedmaßen und Spedi¬
ren aller Eßwaaren ſo viel zu thun hatte, daß
er aus Mangel an Muße kleine Dinge —
z. B. Eſſiggurken, Kaſtanien, Krebsſchwänze —
bloß im Ganzen und ohne Geſchmack ver¬
ſchluckte, ſo daß er nachher das Hartfutter wie
einen verſchlungnen Jonas oft drei Tage in
der Waidtaſche ſeines Magens herumtragen
mußte. Allein dieſesmal zog er ſich gern zum
Eſſen an, weil er auf ſeinen pädagogiſchen
Nebenmann neugierig und ungehalten war,
und das aus Angſt, der neue Mitpäch¬
ter gebe vielleicht die herrliche Winterſaat
in Albans beſäetem Lande für ſeine eigne
Sommerſaat aus. Er ſchrieb ſeiner abbre¬
virten Lehrmethode alle Wunderkräfte ſeines
Lehrlings, d. h. dem Boden aus Waſſer den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0185" n="165"/>
läng&#x017F;t durch Albano die Einladung und das<lb/>
Verziehen aller Gewitter und des neuen Kom¬<lb/>
mis Ankunft &#x017F;agen la&#x017F;&#x017F;en. Wehmeier aß eigent¬<lb/>
lich mit dem größten Widerwillen bei einem<lb/>
Edelmanne, bloß weil er wie ein &#x017F;pei&#x017F;ender Ak¬<lb/>
teur des Ti&#x017F;ches mit Reden, <hi rendition="#aq">savoir vivre</hi>, Auf¬<lb/>
pa&#x017F;&#x017F;en, Halten aller Gliedmaßen und Spedi¬<lb/>
ren aller Eßwaaren &#x017F;o viel zu thun hatte, daß<lb/>
er aus Mangel an Muße kleine Dinge &#x2014;<lb/>
z. B. E&#x017F;&#x017F;iggurken, Ka&#x017F;tanien, Krebs&#x017F;chwänze &#x2014;<lb/>
bloß im Ganzen und ohne Ge&#x017F;chmack ver¬<lb/>
&#x017F;chluckte, &#x017F;o daß er nachher das Hartfutter wie<lb/>
einen ver&#x017F;chlungnen Jonas oft drei Tage in<lb/>
der Waidta&#x017F;che &#x017F;eines Magens herumtragen<lb/>
mußte. Allein die&#x017F;esmal zog er &#x017F;ich gern zum<lb/>
E&#x017F;&#x017F;en an, weil er auf &#x017F;einen pädagogi&#x017F;chen<lb/>
Nebenmann neugierig und ungehalten war,<lb/>
und das aus Ang&#x017F;t, der neue Mitpäch¬<lb/>
ter gebe vielleicht die herrliche <hi rendition="#g">Winter&#x017F;aat</hi><lb/>
in Albans be&#x017F;äetem Lande für &#x017F;eine eigne<lb/><hi rendition="#g">Sommer&#x017F;aat</hi> aus. Er &#x017F;chrieb &#x017F;einer abbre¬<lb/>
virten Lehrmethode alle Wunderkräfte &#x017F;eines<lb/>
Lehrlings, d. h. dem Boden aus Wa&#x017F;&#x017F;er den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0185] längſt durch Albano die Einladung und das Verziehen aller Gewitter und des neuen Kom¬ mis Ankunft ſagen laſſen. Wehmeier aß eigent¬ lich mit dem größten Widerwillen bei einem Edelmanne, bloß weil er wie ein ſpeiſender Ak¬ teur des Tiſches mit Reden, savoir vivre, Auf¬ paſſen, Halten aller Gliedmaßen und Spedi¬ ren aller Eßwaaren ſo viel zu thun hatte, daß er aus Mangel an Muße kleine Dinge — z. B. Eſſiggurken, Kaſtanien, Krebsſchwänze — bloß im Ganzen und ohne Geſchmack ver¬ ſchluckte, ſo daß er nachher das Hartfutter wie einen verſchlungnen Jonas oft drei Tage in der Waidtaſche ſeines Magens herumtragen mußte. Allein dieſesmal zog er ſich gern zum Eſſen an, weil er auf ſeinen pädagogiſchen Nebenmann neugierig und ungehalten war, und das aus Angſt, der neue Mitpäch¬ ter gebe vielleicht die herrliche Winterſaat in Albans beſäetem Lande für ſeine eigne Sommerſaat aus. Er ſchrieb ſeiner abbre¬ virten Lehrmethode alle Wunderkräfte ſeines Lehrlings, d. h. dem Boden aus Waſſer den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/185
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/185>, abgerufen am 23.11.2024.