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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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tags auf die Welt kam, schreitet zum 28sten
October, dem ersten Flegel- und Tölpel¬
tage des jungen Adams, dann über den 29sten,
den ersten Sonn- Buß- und Karenztag hinweg
und so fort bis zum Karenz- und Bußtage des
neuesten Adamssöhnchens, das eben der Sache
zuhorchen muß.

Diese Milchstraße war unserm Magister
zu lang, zu öde, zu fremd. Er schiffte die
mittlere Straße zwischen den vorigen, die
nach den reichen beiden Indien der Geschichte
führt, nach Griechenland und Rom. Die Alten
wirken mehr durch ihre Thaten als durch ihre
Schriften auf uns, mehr auf das Herz wie
auf den Geschmack; ein gefallenes Jahrhundert
um das andere empfängt von ihnen die dop¬
pelte Geschichte als die zwei Sakramente und
Gnadenmittel der moralischen Stärkung; und
ihre Schriften, an welche ihre steinernen Kunst¬
werke jede Nachwelt heften, sind die ewige Bi¬
belanstalt gegen jeden Verfall der Kansteini¬
schen. Aber nun lasset uns an einem schönen
Sommermorgen etlichemale vor der Rektorats¬
wohnung vorbeigehen und es außen mit anhö¬

tags auf die Welt kam, ſchreitet zum 28ſten
October, dem erſten Flegel- und Tölpel¬
tage des jungen Adams, dann über den 29ſten,
den erſten Sonn- Buß- und Karenztag hinweg
und ſo fort bis zum Karenz- und Bußtage des
neueſten Adamsſöhnchens, das eben der Sache
zuhorchen muß.

Dieſe Milchſtraße war unſerm Magiſter
zu lang, zu öde, zu fremd. Er ſchiffte die
mittlere Straße zwiſchen den vorigen, die
nach den reichen beiden Indien der Geſchichte
führt, nach Griechenland und Rom. Die Alten
wirken mehr durch ihre Thaten als durch ihre
Schriften auf uns, mehr auf das Herz wie
auf den Geſchmack; ein gefallenes Jahrhundert
um das andere empfängt von ihnen die dop¬
pelte Geſchichte als die zwei Sakramente und
Gnadenmittel der moraliſchen Stärkung; und
ihre Schriften, an welche ihre ſteinernen Kunſt¬
werke jede Nachwelt heften, ſind die ewige Bi¬
belanſtalt gegen jeden Verfall der Kanſteini¬
ſchen. Aber nun laſſet uns an einem ſchönen
Sommermorgen etlichemale vor der Rektorats¬
wohnung vorbeigehen und es außen mit anhö¬

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[189/0209] tags auf die Welt kam, ſchreitet zum 28ſten October, dem erſten Flegel- und Tölpel¬ tage des jungen Adams, dann über den 29ſten, den erſten Sonn- Buß- und Karenztag hinweg und ſo fort bis zum Karenz- und Bußtage des neueſten Adamsſöhnchens, das eben der Sache zuhorchen muß. Dieſe Milchſtraße war unſerm Magiſter zu lang, zu öde, zu fremd. Er ſchiffte die mittlere Straße zwiſchen den vorigen, die nach den reichen beiden Indien der Geſchichte führt, nach Griechenland und Rom. Die Alten wirken mehr durch ihre Thaten als durch ihre Schriften auf uns, mehr auf das Herz wie auf den Geſchmack; ein gefallenes Jahrhundert um das andere empfängt von ihnen die dop¬ pelte Geſchichte als die zwei Sakramente und Gnadenmittel der moraliſchen Stärkung; und ihre Schriften, an welche ihre ſteinernen Kunſt¬ werke jede Nachwelt heften, ſind die ewige Bi¬ belanſtalt gegen jeden Verfall der Kanſteini¬ ſchen. Aber nun laſſet uns an einem ſchönen Sommermorgen etlichemale vor der Rektorats¬ wohnung vorbeigehen und es außen mit anhö¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/209>, abgerufen am 29.11.2024.