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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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und Zeichenschüler zu größern anzutreiben.
Denn wär' es nicht scheinbar: warum klebt' er
eben so lange Altarsblätter von Lianens Reizen
bei Rabetten auf, bei dieser Unpartheiischen,
die, nur mit Pfarrers- nicht mit Ministers-
Töchtern wettrennend, fast so freudig städti¬
sche
Schönheiten, wie wir Homerische, prei¬
sen hörte und vor der nur ein windiger Tropf,
der sich vor Weibern aufrecht und im Sattel
durch Lobgesänge auf fremde erhalten will,
seine auf Lianen anstimmen konnte. Wahrlich,
vor einer so resignirten und neidlosen Seele als
Rabette war -- zumal da ihre Gesichtshaut
und Hände und Haare nicht am weichsten wa¬
ren wenigstens härter als die Falterleschen --
wär' ich um keine Medaille in der Welt im
Stande gewesen, -- wie ers doch war --, den
glücklichen Erfolg näher zu koloriren, womit
der Minister um Lianens ungewöhnliche Schön¬
heit der jüngern Jahre durch Erziehung in die
jetzigen herüberzubringen, das Seinige gethan
durch zarte und fast magere Kost -- durch Ein¬
schnüren -- durch Zusperren seines Orangerie¬
hauses, dessen Fenster er selten von dieser

und Zeichenſchüler zu größern anzutreiben.
Denn wär' es nicht ſcheinbar: warum klebt' er
eben ſo lange Altarsblätter von Lianens Reizen
bei Rabetten auf, bei dieſer Unpartheiiſchen,
die, nur mit Pfarrers- nicht mit Miniſters-
Töchtern wettrennend, faſt ſo freudig ſtädti¬
ſche
Schönheiten, wie wir Homeriſche, prei¬
ſen hörte und vor der nur ein windiger Tropf,
der ſich vor Weibern aufrecht und im Sattel
durch Lobgeſänge auf fremde erhalten will,
ſeine auf Lianen anſtimmen konnte. Wahrlich,
vor einer ſo reſignirten und neidloſen Seele als
Rabette war — zumal da ihre Geſichtshaut
und Hände und Haare nicht am weichſten wa¬
ren wenigſtens härter als die Falterleſchen —
wär' ich um keine Medaille in der Welt im
Stande geweſen, — wie ers doch war —, den
glücklichen Erfolg näher zu koloriren, womit
der Miniſter um Lianens ungewöhnliche Schön¬
heit der jüngern Jahre durch Erziehung in die
jetzigen herüberzubringen, das Seinige gethan
durch zarte und faſt magere Koſt — durch Ein¬
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[210/0230] und Zeichenſchüler zu größern anzutreiben. Denn wär' es nicht ſcheinbar: warum klebt' er eben ſo lange Altarsblätter von Lianens Reizen bei Rabetten auf, bei dieſer Unpartheiiſchen, die, nur mit Pfarrers- nicht mit Miniſters- Töchtern wettrennend, faſt ſo freudig ſtädti¬ ſche Schönheiten, wie wir Homeriſche, prei¬ ſen hörte und vor der nur ein windiger Tropf, der ſich vor Weibern aufrecht und im Sattel durch Lobgeſänge auf fremde erhalten will, ſeine auf Lianen anſtimmen konnte. Wahrlich, vor einer ſo reſignirten und neidloſen Seele als Rabette war — zumal da ihre Geſichtshaut und Hände und Haare nicht am weichſten wa¬ ren wenigſtens härter als die Falterleſchen — wär' ich um keine Medaille in der Welt im Stande geweſen, — wie ers doch war —, den glücklichen Erfolg näher zu koloriren, womit der Miniſter um Lianens ungewöhnliche Schön¬ heit der jüngern Jahre durch Erziehung in die jetzigen herüberzubringen, das Seinige gethan durch zarte und faſt magere Koſt — durch Ein¬ ſchnüren — durch Zuſperren ſeines Orangerie¬ hauſes, deſſen Fenſter er ſelten von dieſer

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/230>, abgerufen am 27.11.2024.