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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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verstummend aus -- er trat vom hellen Früh¬
linge in den dunkeln Thurm zurück -- er
heftete das Auge nur an die leere blaue Nacht
vor ihm, in welche die ferne Erde nichts her¬
aufwarf, als zuweilen einen verwehten Schmet¬
terling, eine vorbeikreuzende Schwalbe und
eine vorüberwogende Taube -- der blaue
Schleier des Aethers*) flatterte tausendfach ge¬
faltet über verhüllten Göttern in der Weite --
o dann, dann mußte das berückte Herz verlas¬
sen ausrufen: ach wo sind' ich, wo find' ich in den
weiten Räumen, in dem kurzen Leben die See¬
len, die ich ewig liebe und so innig? -- Ach
du Lieber, was wird denn schmerzlicher und
länger gesucht als ein Herz? Wenn der Mensch
vor dem Meere und auf Gebirgen und vor
Pyramiden und Ruinen und vor dem Unglücke
steht und sich erhebt, so strecket er die Arme
nach der großen Freundschaft aus. -- Und
wenn ihn die Tonkunst und der Mond und der

*) Wie die Himmelsköniginn, Juno, von den Al¬
ten immer blau verschleiert wird. Hagedorn
über die Malerei.

verſtummend aus — er trat vom hellen Früh¬
linge in den dunkeln Thurm zurück — er
heftete das Auge nur an die leere blaue Nacht
vor ihm, in welche die ferne Erde nichts her¬
aufwarf, als zuweilen einen verwehten Schmet¬
terling, eine vorbeikreuzende Schwalbe und
eine vorüberwogende Taube — der blaue
Schleier des Aethers*) flatterte tauſendfach ge¬
faltet über verhüllten Göttern in der Weite —
o dann, dann mußte das berückte Herz verlas¬
ſen ausrufen: ach wo ſind' ich, wo find' ich in den
weiten Räumen, in dem kurzen Leben die See¬
len, die ich ewig liebe und ſo innig? — Ach
du Lieber, was wird denn ſchmerzlicher und
länger geſucht als ein Herz? Wenn der Menſch
vor dem Meere und auf Gebirgen und vor
Pyramiden und Ruinen und vor dem Unglücke
ſteht und ſich erhebt, ſo ſtrecket er die Arme
nach der großen Freundſchaft aus. — Und
wenn ihn die Tonkunſt und der Mond und der

*) Wie die Himmelsköniginn, Juno, von den Al¬
ten immer blau verſchleiert wird. Hagedorn
über die Malerei.
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[228/0248] verſtummend aus — er trat vom hellen Früh¬ linge in den dunkeln Thurm zurück — er heftete das Auge nur an die leere blaue Nacht vor ihm, in welche die ferne Erde nichts her¬ aufwarf, als zuweilen einen verwehten Schmet¬ terling, eine vorbeikreuzende Schwalbe und eine vorüberwogende Taube — der blaue Schleier des Aethers *) flatterte tauſendfach ge¬ faltet über verhüllten Göttern in der Weite — o dann, dann mußte das berückte Herz verlas¬ ſen ausrufen: ach wo ſind' ich, wo find' ich in den weiten Räumen, in dem kurzen Leben die See¬ len, die ich ewig liebe und ſo innig? — Ach du Lieber, was wird denn ſchmerzlicher und länger geſucht als ein Herz? Wenn der Menſch vor dem Meere und auf Gebirgen und vor Pyramiden und Ruinen und vor dem Unglücke ſteht und ſich erhebt, ſo ſtrecket er die Arme nach der großen Freundſchaft aus. — Und wenn ihn die Tonkunſt und der Mond und der *) Wie die Himmelsköniginn, Juno, von den Al¬ ten immer blau verſchleiert wird. Hagedorn über die Malerei.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/248>, abgerufen am 26.11.2024.