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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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über die Morgengestirne reicht, nur veraltete
Wahrheiten und verjüngte Lügen! -- O da¬
mals wurd' er von der Milch der Wahrheit
wie ein frisches durstiges Kind getränkt und
großgezogen, später wird er von ihr nur als
ein welker skeptischer Hektikus kurirt! -- Aber
du kannst freilich nicht wiederkommen, herr¬
liche Zeit der ersten Liebe gegen die Wahr¬
heit, und diese Seufzer sollen mir eben nur
deine Erinnerung wärmer geben; -- und kehrst
du wieder, so geschieht es gewiß nicht hier im
tiefen niedrigen Grubenbaue des Lebens, wo
unsere Morgenröthe in den Goldflämmlein auf
dem Goldkiese besteht und unsere Sonne im
Grubenlicht -- nein, sondern dann kann es ge¬
schehen, wenn der Tod uns aufdeckt und den
Sargdeckel des Schachtes von den tiefen bla߬
gelben Arbeitern wegreißet, und wir nun wie¬
der wie erste Menschen, in einer neuen vollen
Erde stehen und unter einem frischen unerme߬
lichen Himmel! --

In dieses goldne Zeitalter seines Herzens
fiel auch seine Bekanntschaft mit Rousseau und
Shakespear; wovon ihn jener über das Jahr¬

über die Morgengeſtirne reicht, nur veraltete
Wahrheiten und verjüngte Lügen! — O da¬
mals wurd' er von der Milch der Wahrheit
wie ein friſches durſtiges Kind getränkt und
großgezogen, ſpäter wird er von ihr nur als
ein welker ſkeptiſcher Hektikus kurirt! — Aber
du kannſt freilich nicht wiederkommen, herr¬
liche Zeit der erſten Liebe gegen die Wahr¬
heit, und dieſe Seufzer ſollen mir eben nur
deine Erinnerung wärmer geben; — und kehrſt
du wieder, ſo geſchieht es gewiß nicht hier im
tiefen niedrigen Grubenbaue des Lebens, wo
unſere Morgenröthe in den Goldflämmlein auf
dem Goldkieſe beſteht und unſere Sonne im
Grubenlicht — nein, ſondern dann kann es ge¬
ſchehen, wenn der Tod uns aufdeckt und den
Sargdeckel des Schachtes von den tiefen bla߬
gelben Arbeitern wegreißet, und wir nun wie¬
der wie erſte Menſchen, in einer neuen vollen
Erde ſtehen und unter einem friſchen unerme߬
lichen Himmel! —

In dieſes goldne Zeitalter ſeines Herzens
fiel auch ſeine Bekanntſchaft mit Rouſſeau und
Shakeſpear; wovon ihn jener über das Jahr¬

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[258/0278] über die Morgengeſtirne reicht, nur veraltete Wahrheiten und verjüngte Lügen! — O da¬ mals wurd' er von der Milch der Wahrheit wie ein friſches durſtiges Kind getränkt und großgezogen, ſpäter wird er von ihr nur als ein welker ſkeptiſcher Hektikus kurirt! — Aber du kannſt freilich nicht wiederkommen, herr¬ liche Zeit der erſten Liebe gegen die Wahr¬ heit, und dieſe Seufzer ſollen mir eben nur deine Erinnerung wärmer geben; — und kehrſt du wieder, ſo geſchieht es gewiß nicht hier im tiefen niedrigen Grubenbaue des Lebens, wo unſere Morgenröthe in den Goldflämmlein auf dem Goldkieſe beſteht und unſere Sonne im Grubenlicht — nein, ſondern dann kann es ge¬ ſchehen, wenn der Tod uns aufdeckt und den Sargdeckel des Schachtes von den tiefen bla߬ gelben Arbeitern wegreißet, und wir nun wie¬ der wie erſte Menſchen, in einer neuen vollen Erde ſtehen und unter einem friſchen unerme߬ lichen Himmel! — In dieſes goldne Zeitalter ſeines Herzens fiel auch ſeine Bekanntſchaft mit Rouſſeau und Shakeſpear; wovon ihn jener über das Jahr¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/278>, abgerufen am 21.11.2024.