Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.sten Molltönen gieng die Erblindung mit ſten Molltönen gieng die Erblindung mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0345" n="325"/> ſten Molltönen gieng die Erblindung mit<lb/> ihren langen Schmerzen vorüber und im<lb/><hi rendition="#g">Sprachgewölbe</hi> der Tonkunſt hört' er alle<lb/> leiſen Seufzer Lianens laut. — Dann führten<lb/> ihn härtere Molltöne in den Tartarus an das<lb/> Grab und Herz des alten freundlichen Man¬<lb/> nes, der mit ihm einmal gebetet hatte, und<lb/> da ſank in der Geiſterſtunde leiſe wie ein Thau<lb/> der Laut vom Himmel: Liane! — Mit einem<lb/> Donnerſchlage des Entzückens fiel er in den<lb/><hi rendition="#aq">Majore</hi>-Ton und er fragte ſich: „dieſe fromme<lb/> „lichte Seele konnte das Schickſal deinem un¬<lb/> „vollkommnen Herzen verſprechen?“ Und da<lb/> er ſich antwortete, daß ſie ihn vielleicht lie¬<lb/> ben werde; weil ſie ihn nicht ſehen könne —<lb/> denn die erſte Liebe iſt nicht eitel — und da<lb/> er ſie von ihrem gigantiſchen Bruder führen<lb/> ſah und da er an die hohe Freundſchaft dachte,<lb/> die er ihm geben und abverlangen wollte: ſo<lb/> giengen ſeine Finger in einer erhebenden Kriegs¬<lb/> muſik über die Taſten und es klangen die<lb/> himmliſchen Stunden vor ihm, die er genießen<lb/> werde, wenn ſeine zwei ewigen Träume leben¬<lb/> dig aus der Nacht in den Tag herübergien¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [325/0345]
ſten Molltönen gieng die Erblindung mit
ihren langen Schmerzen vorüber und im
Sprachgewölbe der Tonkunſt hört' er alle
leiſen Seufzer Lianens laut. — Dann führten
ihn härtere Molltöne in den Tartarus an das
Grab und Herz des alten freundlichen Man¬
nes, der mit ihm einmal gebetet hatte, und
da ſank in der Geiſterſtunde leiſe wie ein Thau
der Laut vom Himmel: Liane! — Mit einem
Donnerſchlage des Entzückens fiel er in den
Majore-Ton und er fragte ſich: „dieſe fromme
„lichte Seele konnte das Schickſal deinem un¬
„vollkommnen Herzen verſprechen?“ Und da
er ſich antwortete, daß ſie ihn vielleicht lie¬
ben werde; weil ſie ihn nicht ſehen könne —
denn die erſte Liebe iſt nicht eitel — und da
er ſie von ihrem gigantiſchen Bruder führen
ſah und da er an die hohe Freundſchaft dachte,
die er ihm geben und abverlangen wollte: ſo
giengen ſeine Finger in einer erhebenden Kriegs¬
muſik über die Taſten und es klangen die
himmliſchen Stunden vor ihm, die er genießen
werde, wenn ſeine zwei ewigen Träume leben¬
dig aus der Nacht in den Tag herübergien¬
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/345>, abgerufen am 16.07.2024. |