rinirter Fötus-Kanker geriethe. -- Indeß wurde er doch dadurch beruhigt -- nach mei¬ ner Meinung nur getäuscht --, daß der deutsche Herr nicht neben ihr lyrisch loderte, noch im Himmel oder außer sich war, sondern bei sich und ganz gesetzt und sehr artig. Auf keine Tauben, Graf, -- frage die Landwirthe, -- schießen die Habichte öfter nieder als auf glänzend-weiße! --
Der deutsche Herr brachte jetzt eine Taba¬ tiere hervor mit einem niedlichen Gemälde von Lilar und fragte Lianen, wie es ihr gefalle; ihm gefalle daran das Sentimentalische vor¬ züglich.
Der Lektor erschrak, bog sich dem Dosen¬ stücke entgegen und jagte einige Urtheile vor¬ aus, die die Halbblinde in den ihrigen führen sollten; aber nachdem sie damit ein paarmal schief gegen die Lichter und nahe vor ihren Au¬ gen vorbeigefahren war, konnte sie selber das eigne fällen, daß das von der halbuntergesun¬ kenen Sonne angestrahlte Kind, das unter dem Triumphbogen eine Blumenkette in die Höhe zieht, nach ihrem Gefühle "so gar lieblich"
rinirter Fötus-Kanker geriethe. — Indeß wurde er doch dadurch beruhigt — nach mei¬ ner Meinung nur getäuſcht —, daß der deutſche Herr nicht neben ihr lyriſch loderte, noch im Himmel oder außer ſich war, ſondern bei ſich und ganz geſetzt und ſehr artig. Auf keine Tauben, Graf, — frage die Landwirthe, — ſchießen die Habichte öfter nieder als auf glänzend-weiße! —
Der deutſche Herr brachte jetzt eine Taba¬ tiere hervor mit einem niedlichen Gemälde von Lilar und fragte Lianen, wie es ihr gefalle; ihm gefalle daran das Sentimentaliſche vor¬ züglich.
Der Lektor erſchrak, bog ſich dem Doſen¬ ſtücke entgegen und jagte einige Urtheile vor¬ aus, die die Halbblinde in den ihrigen führen ſollten; aber nachdem ſie damit ein paarmal ſchief gegen die Lichter und nahe vor ihren Au¬ gen vorbeigefahren war, konnte ſie ſelber das eigne fällen, daß das von der halbuntergeſun¬ kenen Sonne angeſtrahlte Kind, das unter dem Triumphbogen eine Blumenkette in die Höhe zieht, nach ihrem Gefühle „ſo gar lieblich“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0408"n="388"/>
rinirter Fötus-Kanker geriethe. — Indeß<lb/>
wurde er doch dadurch beruhigt — nach mei¬<lb/>
ner Meinung nur getäuſcht —, daß der deutſche<lb/>
Herr nicht neben ihr lyriſch loderte, noch im<lb/>
Himmel oder außer ſich war, ſondern bei ſich<lb/>
und ganz geſetzt und ſehr artig. Auf keine<lb/>
Tauben, Graf, — frage die Landwirthe, —<lb/>ſchießen die Habichte öfter nieder als auf<lb/><hirendition="#g">glänzend-weiße</hi>! —</p><lb/><p>Der deutſche Herr brachte jetzt eine Taba¬<lb/>
tiere hervor mit einem niedlichen Gemälde von<lb/>
Lilar und fragte Lianen, wie es ihr gefalle;<lb/>
ihm gefalle daran das Sentimentaliſche vor¬<lb/>
züglich.</p><lb/><p>Der Lektor erſchrak, bog ſich dem Doſen¬<lb/>ſtücke entgegen und jagte einige Urtheile vor¬<lb/>
aus, die die Halbblinde in den ihrigen führen<lb/>ſollten; aber nachdem ſie damit ein paarmal<lb/>ſchief gegen die Lichter und nahe vor ihren Au¬<lb/>
gen vorbeigefahren war, konnte ſie ſelber das<lb/>
eigne fällen, daß das von der halbuntergeſun¬<lb/>
kenen Sonne angeſtrahlte Kind, das unter dem<lb/>
Triumphbogen eine Blumenkette in die Höhe<lb/>
zieht, nach ihrem Gefühle „ſo gar lieblich“<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[388/0408]
rinirter Fötus-Kanker geriethe. — Indeß
wurde er doch dadurch beruhigt — nach mei¬
ner Meinung nur getäuſcht —, daß der deutſche
Herr nicht neben ihr lyriſch loderte, noch im
Himmel oder außer ſich war, ſondern bei ſich
und ganz geſetzt und ſehr artig. Auf keine
Tauben, Graf, — frage die Landwirthe, —
ſchießen die Habichte öfter nieder als auf
glänzend-weiße! —
Der deutſche Herr brachte jetzt eine Taba¬
tiere hervor mit einem niedlichen Gemälde von
Lilar und fragte Lianen, wie es ihr gefalle;
ihm gefalle daran das Sentimentaliſche vor¬
züglich.
Der Lektor erſchrak, bog ſich dem Doſen¬
ſtücke entgegen und jagte einige Urtheile vor¬
aus, die die Halbblinde in den ihrigen führen
ſollten; aber nachdem ſie damit ein paarmal
ſchief gegen die Lichter und nahe vor ihren Au¬
gen vorbeigefahren war, konnte ſie ſelber das
eigne fällen, daß das von der halbuntergeſun¬
kenen Sonne angeſtrahlte Kind, das unter dem
Triumphbogen eine Blumenkette in die Höhe
zieht, nach ihrem Gefühle „ſo gar lieblich“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/408>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.