Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.Odyssee, ein verlornes und wiedergefundnes Bei Gott! Lieber gebt mir das feinste *) Es kann mir nicht vorgeworfen werden, daß
ja die Szenen meines Buchs wirklich erlebte wären und daß man keine bessere zu erleben wünschte; denn in der Darstellung der Phan¬ tasie nimmt die Wirklichkeit neue Reize an, Reize, mit welchen auch jede andere zurückge¬ wichene Gegenwart magisch die Erinnerung durchschimmert. Ich berufe mich hier auf die Odyſſee, ein verlornes und wiedergefundnes Bei Gott! Lieber gebt mir das feinſte *) Es kann mir nicht vorgeworfen werden, daß
ja die Szenen meines Buchs wirklich erlebte wären und daß man keine beſſere zu erleben wünſchte; denn in der Darſtellung der Phan¬ taſie nimmt die Wirklichkeit neue Reize an, Reize, mit welchen auch jede andere zurückge¬ wichene Gegenwart magiſch die Erinnerung durchſchimmert. Ich berufe mich hier auf die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0463" n="443"/> Odyſſee, ein verlornes und wiedergefundnes<lb/> Miltons-Paradies — wollt' ihr gar nicht an¬<lb/> hören und heranlaſſen, um nur taubblind in<lb/> einer <hi rendition="#g">thieriſchen</hi> Gegenwart zu niſten. —</p><lb/> <p>Bei Gott! Lieber gebt mir das feinſte<lb/> ſtärkſte Gift der Ideale ein, damit ich mei¬<lb/> nen Augenblick doch nicht verſchnarche ſon¬<lb/> dern verträume und dann daran verſter¬<lb/> be! — Aber eben das Verſterben wäre<lb/> mein Fehler; denn wer die <hi rendition="#g">poetiſchen</hi><lb/> Träume ins Wachen<note xml:id="note-0463" next="#note-0464" place="foot" n="*)">Es kann mir nicht vorgeworfen werden, daß<lb/> ja die Szenen meines Buchs wirklich erlebte<lb/> wären und daß man keine beſſere zu erleben<lb/> wünſchte; denn in der Darſtellung der Phan¬<lb/> taſie nimmt die Wirklichkeit neue Reize an,<lb/> Reize, mit welchen auch jede andere zurückge¬<lb/> wichene Gegenwart magiſch die Erinnerung<lb/> durchſchimmert. Ich berufe mich hier auf die<lb/></note> tragen will, iſt toller<lb/> als der Nordamerikaner, der die <hi rendition="#g">nächtlichen</hi><lb/> realiſirt; er will wie eine Kleopatra den Glanz<lb/> der Thauperlen zum Labetrunk, den <hi rendition="#g">Regen¬<lb/> bogen</hi> der Phantaſie zum haltbaren über Re¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [443/0463]
Odyſſee, ein verlornes und wiedergefundnes
Miltons-Paradies — wollt' ihr gar nicht an¬
hören und heranlaſſen, um nur taubblind in
einer thieriſchen Gegenwart zu niſten. —
Bei Gott! Lieber gebt mir das feinſte
ſtärkſte Gift der Ideale ein, damit ich mei¬
nen Augenblick doch nicht verſchnarche ſon¬
dern verträume und dann daran verſter¬
be! — Aber eben das Verſterben wäre
mein Fehler; denn wer die poetiſchen
Träume ins Wachen *) tragen will, iſt toller
als der Nordamerikaner, der die nächtlichen
realiſirt; er will wie eine Kleopatra den Glanz
der Thauperlen zum Labetrunk, den Regen¬
bogen der Phantaſie zum haltbaren über Re¬
*) Es kann mir nicht vorgeworfen werden, daß
ja die Szenen meines Buchs wirklich erlebte
wären und daß man keine beſſere zu erleben
wünſchte; denn in der Darſtellung der Phan¬
taſie nimmt die Wirklichkeit neue Reize an,
Reize, mit welchen auch jede andere zurückge¬
wichene Gegenwart magiſch die Erinnerung
durchſchimmert. Ich berufe mich hier auf die
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