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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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thung so wie ihr großer trotzender Hut, der
ihm eine Krone schien, weil er an dem männ¬
lichen Anzuge nichts höher schätzte als Pelz,
Mantel und Hut. --

Immer mehrere Finger zogen die Lettern
v. C. in seine Hand und er nickte unbeküm¬
mert. Die Zeit umgab ihn mit vielfachen
Dramas und überall stand er zwischen Theater-
Vorhängen. Als er mit dem unruhigen Kopfe
und Herzen ins Bogenfenster trat, um zu se¬
hen, ob er bald Mondschein für seinen Nacht¬
gang habe: so sah er über den Markt einen
schweren Leichenwagen zwischen Fackeln ziehen,
der einen Rittergutsbesitzer seiner Familien¬
gruft zufuhr; und der ungestörte Nachtwächter
rief dem schleichenden Todten den Anfang der
Geister- und einer uns theuren Geburtsstunde
nach. Mußte nicht sein getroffnes Herz es ihm
sagen, wie der harte, feste, unauflösbare Tod
mit seiner Gletscherluft so scharf durch die
warmen Szenen des Lebens rückt und alles,
worüber er wegweht, hinter sich starr lässet
und schneeweis? -- Mußt' er nicht an die er¬
kaltete junge Schwester denken, deren Stimme

jetzt

thung ſo wie ihr großer trotzender Hut, der
ihm eine Krone ſchien, weil er an dem männ¬
lichen Anzuge nichts höher ſchätzte als Pelz,
Mantel und Hut. —

Immer mehrere Finger zogen die Lettern
v. C. in ſeine Hand und er nickte unbeküm¬
mert. Die Zeit umgab ihn mit vielfachen
Dramas und überall ſtand er zwiſchen Theater-
Vorhängen. Als er mit dem unruhigen Kopfe
und Herzen ins Bogenfenſter trat, um zu ſe¬
hen, ob er bald Mondſchein für ſeinen Nacht¬
gang habe: ſo ſah er über den Markt einen
ſchweren Leichenwagen zwiſchen Fackeln ziehen,
der einen Rittergutsbeſitzer ſeiner Familien¬
gruft zufuhr; und der ungeſtörte Nachtwächter
rief dem ſchleichenden Todten den Anfang der
Geiſter- und einer uns theuren Geburtsſtunde
nach. Mußte nicht ſein getroffnes Herz es ihm
ſagen, wie der harte, feſte, unauflösbare Tod
mit ſeiner Gletſcherluft ſo ſcharf durch die
warmen Szenen des Lebens rückt und alles,
worüber er wegweht, hinter ſich ſtarr läſſet
und ſchneeweis? — Mußt' er nicht an die er¬
kaltete junge Schweſter denken, deren Stimme

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[496/0516] thung ſo wie ihr großer trotzender Hut, der ihm eine Krone ſchien, weil er an dem männ¬ lichen Anzuge nichts höher ſchätzte als Pelz, Mantel und Hut. — Immer mehrere Finger zogen die Lettern v. C. in ſeine Hand und er nickte unbeküm¬ mert. Die Zeit umgab ihn mit vielfachen Dramas und überall ſtand er zwiſchen Theater- Vorhängen. Als er mit dem unruhigen Kopfe und Herzen ins Bogenfenſter trat, um zu ſe¬ hen, ob er bald Mondſchein für ſeinen Nacht¬ gang habe: ſo ſah er über den Markt einen ſchweren Leichenwagen zwiſchen Fackeln ziehen, der einen Rittergutsbeſitzer ſeiner Familien¬ gruft zufuhr; und der ungeſtörte Nachtwächter rief dem ſchleichenden Todten den Anfang der Geiſter- und einer uns theuren Geburtsſtunde nach. Mußte nicht ſein getroffnes Herz es ihm ſagen, wie der harte, feſte, unauflösbare Tod mit ſeiner Gletſcherluft ſo ſcharf durch die warmen Szenen des Lebens rückt und alles, worüber er wegweht, hinter ſich ſtarr läſſet und ſchneeweis? — Mußt' er nicht an die er¬ kaltete junge Schweſter denken, deren Stimme jetzt

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/516>, abgerufen am 23.11.2024.