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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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"sen -- er sey schon vorhin dicht an ihm ge¬
"standen und habe auf seine Frage: "wer da,"
"sogleich die Maske abgethan." -- -- Jetzt
griff wieder Albanos gefallner Arm straff durch
das dünne Schattenspiel der Geisterfurcht, da
er nun erfuhr, der zweiköpfige Riese sey bloß
vom optisch-vergrößernden Wahne der Ferne
einer so nahen Gestalt erwachsen, und der Lei¬
chenkopf habe auf der Treppe seinen Rumpf
nur eingebüßt durch die finstern Überhänge und
durch die schwarze Bekleidung; sogar die harte
Geisterßene am Altare schien ihm jetzt bezwing¬
licher durch den reichen Gewinnst der lebendi¬
gen Liebe.

Roquairol fragte ihn, welche Quaal oder
Freude ihn in der Mitternacht hierher auf
einen herrnhutischen Gottesacker getrieben
und wohin er den Menschen mit dem Degen
abgeschickt. Albano wars unbekannt, daß hier
Herrnhuter ruhen; und eben so hatt' er den
wahrscheinlich aus Furcht des Gebrauchs ver¬
übten Diebstahl des Degens nicht bemerkt. Er
antwortete: "meine todte Schwester wollte am
"Altare mit mir reden; und sie hat geredet"

„ſen — er ſey ſchon vorhin dicht an ihm ge¬
„ſtanden und habe auf ſeine Frage: „wer da,“
„ſogleich die Maſke abgethan.“ — — Jetzt
griff wieder Albanos gefallner Arm ſtraff durch
das dünne Schattenſpiel der Geiſterfurcht, da
er nun erfuhr, der zweiköpfige Rieſe ſey bloß
vom optiſch-vergrößernden Wahne der Ferne
einer ſo nahen Geſtalt erwachſen, und der Lei¬
chenkopf habe auf der Treppe ſeinen Rumpf
nur eingebüßt durch die finſtern Überhänge und
durch die ſchwarze Bekleidung; ſogar die harte
Geiſterſzene am Altare ſchien ihm jetzt bezwing¬
licher durch den reichen Gewinnſt der lebendi¬
gen Liebe.

Roquairol fragte ihn, welche Quaal oder
Freude ihn in der Mitternacht hierher auf
einen herrnhutiſchen Gottesacker getrieben
und wohin er den Menſchen mit dem Degen
abgeſchickt. Albano wars unbekannt, daß hier
Herrnhuter ruhen; und eben ſo hatt' er den
wahrſcheinlich aus Furcht des Gebrauchs ver¬
übten Diebſtahl des Degens nicht bemerkt. Er
antwortete: „meine todte Schweſter wollte am
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[506/0526] „ſen — er ſey ſchon vorhin dicht an ihm ge¬ „ſtanden und habe auf ſeine Frage: „wer da,“ „ſogleich die Maſke abgethan.“ — — Jetzt griff wieder Albanos gefallner Arm ſtraff durch das dünne Schattenſpiel der Geiſterfurcht, da er nun erfuhr, der zweiköpfige Rieſe ſey bloß vom optiſch-vergrößernden Wahne der Ferne einer ſo nahen Geſtalt erwachſen, und der Lei¬ chenkopf habe auf der Treppe ſeinen Rumpf nur eingebüßt durch die finſtern Überhänge und durch die ſchwarze Bekleidung; ſogar die harte Geiſterſzene am Altare ſchien ihm jetzt bezwing¬ licher durch den reichen Gewinnſt der lebendi¬ gen Liebe. Roquairol fragte ihn, welche Quaal oder Freude ihn in der Mitternacht hierher auf einen herrnhutiſchen Gottesacker getrieben und wohin er den Menſchen mit dem Degen abgeſchickt. Albano wars unbekannt, daß hier Herrnhuter ruhen; und eben ſo hatt' er den wahrſcheinlich aus Furcht des Gebrauchs ver¬ übten Diebſtahl des Degens nicht bemerkt. Er antwortete: „meine todte Schweſter wollte am „Altare mit mir reden; und ſie hat geredet“

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/526>, abgerufen am 23.11.2024.