etwas zog. Jeder Jüngling hat ein schönes Zeitalter, wo er kein Amt, und jede Jungfrau eines, wo sie keinen Mann annehmen will; dann ändern sich beide und nehmen oft sich einander noch dazu.
Als der Ritter die obigen gewiß keinem Weltmanne anstößigen Sätze vorbrachte: so stieg in seinem Sohne ein heiliger menschenfreund¬ licher Stolz empor -- es war diesem, als werde von einem steigenden Genius sein Herz und so¬ gar sein Körper, wie der eines betenden Heili¬ gen, gehoben über die Laufbahnen einer gieri¬ gen kriechenden Zeit -- die großen Menschen einer größern traten unter ihre Triumphbogen und winkten ihn, näher zu ihnen zu kommen -- in Osten lag Rom und der Mond und vor ihm der Alpen-Zirkus, eine große Vergangen¬ heit neben einer großen Gegenwart -- er er¬ griff mit dem liebend-stolzen Gefühl, daß es noch etwas Göttlicheres in uns gebe als Klugheit und Verstand, den Vater und sagte: "der ganze heutige Tag, lieber Vater, war "eine zunehmende Erschütterung meines Her¬ "zens -- ich kann vor Bewegung nicht spre¬
Titan. I. E
etwas zog. Jeder Jüngling hat ein ſchönes Zeitalter, wo er kein Amt, und jede Jungfrau eines, wo ſie keinen Mann annehmen will; dann ändern ſich beide und nehmen oft ſich einander noch dazu.
Als der Ritter die obigen gewiß keinem Weltmanne anſtößigen Sätze vorbrachte: ſo ſtieg in ſeinem Sohne ein heiliger menſchenfreund¬ licher Stolz empor — es war dieſem, als werde von einem ſteigenden Genius ſein Herz und ſo¬ gar ſein Körper, wie der eines betenden Heili¬ gen, gehoben über die Laufbahnen einer gieri¬ gen kriechenden Zeit — die großen Menſchen einer größern traten unter ihre Triumphbogen und winkten ihn, näher zu ihnen zu kommen — in Oſten lag Rom und der Mond und vor ihm der Alpen-Zirkus, eine große Vergangen¬ heit neben einer großen Gegenwart — er er¬ griff mit dem liebend-ſtolzen Gefühl, daß es noch etwas Göttlicheres in uns gebe als Klugheit und Verſtand, den Vater und ſagte: „der ganze heutige Tag, lieber Vater, war „eine zunehmende Erſchütterung meines Her¬ „zens — ich kann vor Bewegung nicht ſpre¬
Titan. I. E
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0085"n="65"/>
etwas zog. Jeder Jüngling hat ein ſchönes<lb/>
Zeitalter, wo er kein Amt, und jede Jungfrau<lb/>
eines, wo ſie keinen Mann annehmen will;<lb/>
dann ändern ſich beide und nehmen oft ſich<lb/>
einander noch dazu.</p><lb/><p>Als der Ritter die obigen gewiß keinem<lb/>
Weltmanne anſtößigen Sätze vorbrachte: ſo ſtieg<lb/>
in ſeinem Sohne ein heiliger menſchenfreund¬<lb/>
licher Stolz empor — es war dieſem, als werde<lb/>
von einem ſteigenden Genius ſein Herz und ſo¬<lb/>
gar ſein Körper, wie der eines betenden Heili¬<lb/>
gen, gehoben über die Laufbahnen einer gieri¬<lb/>
gen kriechenden Zeit — die großen Menſchen<lb/>
einer größern traten unter ihre Triumphbogen<lb/>
und winkten ihn, näher zu ihnen zu kommen<lb/>— in Oſten lag Rom und der Mond und vor<lb/>
ihm der Alpen-Zirkus, eine große Vergangen¬<lb/>
heit neben einer großen Gegenwart — er er¬<lb/>
griff mit dem <hirendition="#g">liebend-ſtolzen</hi> Gefühl, daß<lb/>
es noch etwas Göttlicheres in uns gebe als<lb/>
Klugheit und Verſtand, den Vater und ſagte:<lb/>„der ganze heutige Tag, lieber Vater, war<lb/>„eine zunehmende Erſchütterung meines Her¬<lb/>„zens — ich kann vor Bewegung nicht ſpre¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Titan. <hirendition="#aq">I</hi>. E<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[65/0085]
etwas zog. Jeder Jüngling hat ein ſchönes
Zeitalter, wo er kein Amt, und jede Jungfrau
eines, wo ſie keinen Mann annehmen will;
dann ändern ſich beide und nehmen oft ſich
einander noch dazu.
Als der Ritter die obigen gewiß keinem
Weltmanne anſtößigen Sätze vorbrachte: ſo ſtieg
in ſeinem Sohne ein heiliger menſchenfreund¬
licher Stolz empor — es war dieſem, als werde
von einem ſteigenden Genius ſein Herz und ſo¬
gar ſein Körper, wie der eines betenden Heili¬
gen, gehoben über die Laufbahnen einer gieri¬
gen kriechenden Zeit — die großen Menſchen
einer größern traten unter ihre Triumphbogen
und winkten ihn, näher zu ihnen zu kommen
— in Oſten lag Rom und der Mond und vor
ihm der Alpen-Zirkus, eine große Vergangen¬
heit neben einer großen Gegenwart — er er¬
griff mit dem liebend-ſtolzen Gefühl, daß
es noch etwas Göttlicheres in uns gebe als
Klugheit und Verſtand, den Vater und ſagte:
„der ganze heutige Tag, lieber Vater, war
„eine zunehmende Erſchütterung meines Her¬
„zens — ich kann vor Bewegung nicht ſpre¬
Titan. I. E
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/85>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.