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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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etwas zog. Jeder Jüngling hat ein schönes
Zeitalter, wo er kein Amt, und jede Jungfrau
eines, wo sie keinen Mann annehmen will;
dann ändern sich beide und nehmen oft sich
einander noch dazu.

Als der Ritter die obigen gewiß keinem
Weltmanne anstößigen Sätze vorbrachte: so stieg
in seinem Sohne ein heiliger menschenfreund¬
licher Stolz empor -- es war diesem, als werde
von einem steigenden Genius sein Herz und so¬
gar sein Körper, wie der eines betenden Heili¬
gen, gehoben über die Laufbahnen einer gieri¬
gen kriechenden Zeit -- die großen Menschen
einer größern traten unter ihre Triumphbogen
und winkten ihn, näher zu ihnen zu kommen
-- in Osten lag Rom und der Mond und vor
ihm der Alpen-Zirkus, eine große Vergangen¬
heit neben einer großen Gegenwart -- er er¬
griff mit dem liebend-stolzen Gefühl, daß
es noch etwas Göttlicheres in uns gebe als
Klugheit und Verstand, den Vater und sagte:
"der ganze heutige Tag, lieber Vater, war
"eine zunehmende Erschütterung meines Her¬
"zens -- ich kann vor Bewegung nicht spre¬

Titan. I. E

etwas zog. Jeder Jüngling hat ein ſchönes
Zeitalter, wo er kein Amt, und jede Jungfrau
eines, wo ſie keinen Mann annehmen will;
dann ändern ſich beide und nehmen oft ſich
einander noch dazu.

Als der Ritter die obigen gewiß keinem
Weltmanne anſtößigen Sätze vorbrachte: ſo ſtieg
in ſeinem Sohne ein heiliger menſchenfreund¬
licher Stolz empor — es war dieſem, als werde
von einem ſteigenden Genius ſein Herz und ſo¬
gar ſein Körper, wie der eines betenden Heili¬
gen, gehoben über die Laufbahnen einer gieri¬
gen kriechenden Zeit — die großen Menſchen
einer größern traten unter ihre Triumphbogen
und winkten ihn, näher zu ihnen zu kommen
— in Oſten lag Rom und der Mond und vor
ihm der Alpen-Zirkus, eine große Vergangen¬
heit neben einer großen Gegenwart — er er¬
griff mit dem liebend-ſtolzen Gefühl, daß
es noch etwas Göttlicheres in uns gebe als
Klugheit und Verſtand, den Vater und ſagte:
„der ganze heutige Tag, lieber Vater, war
„eine zunehmende Erſchütterung meines Her¬
„zens — ich kann vor Bewegung nicht ſpre¬

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[65/0085] etwas zog. Jeder Jüngling hat ein ſchönes Zeitalter, wo er kein Amt, und jede Jungfrau eines, wo ſie keinen Mann annehmen will; dann ändern ſich beide und nehmen oft ſich einander noch dazu. Als der Ritter die obigen gewiß keinem Weltmanne anſtößigen Sätze vorbrachte: ſo ſtieg in ſeinem Sohne ein heiliger menſchenfreund¬ licher Stolz empor — es war dieſem, als werde von einem ſteigenden Genius ſein Herz und ſo¬ gar ſein Körper, wie der eines betenden Heili¬ gen, gehoben über die Laufbahnen einer gieri¬ gen kriechenden Zeit — die großen Menſchen einer größern traten unter ihre Triumphbogen und winkten ihn, näher zu ihnen zu kommen — in Oſten lag Rom und der Mond und vor ihm der Alpen-Zirkus, eine große Vergangen¬ heit neben einer großen Gegenwart — er er¬ griff mit dem liebend-ſtolzen Gefühl, daß es noch etwas Göttlicheres in uns gebe als Klugheit und Verſtand, den Vater und ſagte: „der ganze heutige Tag, lieber Vater, war „eine zunehmende Erſchütterung meines Her¬ „zens — ich kann vor Bewegung nicht ſpre¬ Titan. I. E

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/85>, abgerufen am 21.11.2024.