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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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körper dieses Jupiter ausgesäet waren. Aber
er zerriß jede Karte -- Karls schmerzliche Be¬
kenntnisse in jener Nacht löschten alle fremde
Nachträge aus -- und Albano's herrlicher Glau¬
be, man müsse den Freund ganz decken und
ihm ganz vertrauen, wehrte jeden Einfluß ab.
O es ist eine heilige Zeit, worin der Mensch
für den Altar der Freundschaft und Liebe noch
Opfer und Priester ohne Fehl begehrt und --
erblickt; und es ist eine zu harte, worin die so
oft belogne Brust sich an der fremden mitten
im Liebestrunk des Augenblicks die kalte Nach¬
barschaft der Gebrechen weissagt! --

Da der Lektor überall sah, daß Alban
über manche seiner Rügen an Karl, z. B. dessen
Wildheit und Unordnung, darum kalt bleibe,
weil er selber unter fremdem Tadel gemeinet zu
seyn glauben konnte, wie die Franzosen (nach
Thickneß) das Lob eines Fremden an Ein¬
heimische richten; so griff er statt der Ähnlich¬
keit eine vollendete Unähnlichkeit des Haupt¬
manns an, seinen Leichtsinn gegen das Ge¬
schlecht. -- Aber damit verdarb er noch mehr.
Denn in der Liebe war ihm Karl der höhere

körper dieſes Jupiter ausgeſäet waren. Aber
er zerriß jede Karte — Karls ſchmerzliche Be¬
kenntniſſe in jener Nacht löſchten alle fremde
Nachträge aus — und Albano's herrlicher Glau¬
be, man müſſe den Freund ganz decken und
ihm ganz vertrauen, wehrte jeden Einfluß ab.
O es iſt eine heilige Zeit, worin der Menſch
für den Altar der Freundſchaft und Liebe noch
Opfer und Prieſter ohne Fehl begehrt und —
erblickt; und es iſt eine zu harte, worin die ſo
oft belogne Bruſt ſich an der fremden mitten
im Liebestrunk des Augenblicks die kalte Nach¬
barſchaft der Gebrechen weiſſagt! —

Da der Lektor überall ſah, daß Alban
über manche ſeiner Rügen an Karl, z. B. deſſen
Wildheit und Unordnung, darum kalt bleibe,
weil er ſelber unter fremdem Tadel gemeinet zu
ſeyn glauben konnte, wie die Franzoſen (nach
Thickneß) das Lob eines Fremden an Ein¬
heimiſche richten; ſo griff er ſtatt der Ähnlich¬
keit eine vollendete Unähnlichkeit des Haupt¬
manns an, ſeinen Leichtſinn gegen das Ge¬
ſchlecht. — Aber damit verdarb er noch mehr.
Denn in der Liebe war ihm Karl der höhere

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[133/0141] körper dieſes Jupiter ausgeſäet waren. Aber er zerriß jede Karte — Karls ſchmerzliche Be¬ kenntniſſe in jener Nacht löſchten alle fremde Nachträge aus — und Albano's herrlicher Glau¬ be, man müſſe den Freund ganz decken und ihm ganz vertrauen, wehrte jeden Einfluß ab. O es iſt eine heilige Zeit, worin der Menſch für den Altar der Freundſchaft und Liebe noch Opfer und Prieſter ohne Fehl begehrt und — erblickt; und es iſt eine zu harte, worin die ſo oft belogne Bruſt ſich an der fremden mitten im Liebestrunk des Augenblicks die kalte Nach¬ barſchaft der Gebrechen weiſſagt! — Da der Lektor überall ſah, daß Alban über manche ſeiner Rügen an Karl, z. B. deſſen Wildheit und Unordnung, darum kalt bleibe, weil er ſelber unter fremdem Tadel gemeinet zu ſeyn glauben konnte, wie die Franzoſen (nach Thickneß) das Lob eines Fremden an Ein¬ heimiſche richten; ſo griff er ſtatt der Ähnlich¬ keit eine vollendete Unähnlichkeit des Haupt¬ manns an, ſeinen Leichtſinn gegen das Ge¬ ſchlecht. — Aber damit verdarb er noch mehr. Denn in der Liebe war ihm Karl der höhere

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/141>, abgerufen am 21.11.2024.