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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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"Kleider, die meine gute Schwester aufgeho¬
"ben, zu Gesichte kommen, da leid' ich mehr
"und frage: armer gutmeinender Knabe, war¬
"um wurdest Du denn älter? Aber wie ge¬
"sagt, es ist ganz vorbei. Zu Dir, nur zu
"Dir spreche ein besserer Genius: liebe die
"Schöne, die ich Dir zeige!" --

Aber welche Welt von Gedanken flog jetzt
auf einmal Albano zu! "Er martert (dacht'
"er,) mit dem alten Argwohne über Romeiro
"fort -- ich will Herz gegen Herz öffnen und
"es dem guten Bruder sagen, daß ich ja seine
"Schwester ewig liebe." -- Seine Wangen
glühten, sein Herz flammte, er stand priester¬
lich vor dem Altare der Freundschaft mit der
schönsten Gabe, mit der Aufrichtigkeit. "O
"jetzt, Karl," sagt' er, "wäre sie wohl anders
"gegen Dich -- mein Vater reiset mit ihr und
"Du wirst sie sehen." -- Er gieng Hand in
Hand schneller mit ihm einer dunklen Baum¬
gruppe zu, um im Schatten die zart-erröthen¬
de Seele zu öffnen. "Nimm mein theuerstes
"Geheimniß hin, (fieng er an) -- aber sprich
"nicht davon -- und nicht mit mir-- erräthst

„Kleider, die meine gute Schweſter aufgeho¬
„ben, zu Geſichte kommen, da leid' ich mehr
„und frage: armer gutmeinender Knabe, war¬
„um wurdeſt Du denn älter? Aber wie ge¬
„ſagt, es iſt ganz vorbei. Zu Dir, nur zu
„Dir ſpreche ein beſſerer Genius: liebe die
„Schöne, die ich Dir zeige!“ —

Aber welche Welt von Gedanken flog jetzt
auf einmal Albano zu! „Er martert (dacht'
„er,) mit dem alten Argwohne über Romeiro
„fort — ich will Herz gegen Herz öffnen und
„es dem guten Bruder ſagen, daß ich ja ſeine
„Schweſter ewig liebe.“ — Seine Wangen
glühten, ſein Herz flammte, er ſtand prieſter¬
lich vor dem Altare der Freundſchaft mit der
ſchönſten Gabe, mit der Aufrichtigkeit. „O
„jetzt, Karl,“ ſagt' er, „wäre ſie wohl anders
„gegen Dich — mein Vater reiſet mit ihr und
„Du wirſt ſie ſehen.“ — Er gieng Hand in
Hand ſchneller mit ihm einer dunklen Baum¬
gruppe zu, um im Schatten die zart-erröthen¬
de Seele zu öffnen. „Nimm mein theuerſtes
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[36/0044] „Kleider, die meine gute Schweſter aufgeho¬ „ben, zu Geſichte kommen, da leid' ich mehr „und frage: armer gutmeinender Knabe, war¬ „um wurdeſt Du denn älter? Aber wie ge¬ „ſagt, es iſt ganz vorbei. Zu Dir, nur zu „Dir ſpreche ein beſſerer Genius: liebe die „Schöne, die ich Dir zeige!“ — Aber welche Welt von Gedanken flog jetzt auf einmal Albano zu! „Er martert (dacht' „er,) mit dem alten Argwohne über Romeiro „fort — ich will Herz gegen Herz öffnen und „es dem guten Bruder ſagen, daß ich ja ſeine „Schweſter ewig liebe.“ — Seine Wangen glühten, ſein Herz flammte, er ſtand prieſter¬ lich vor dem Altare der Freundſchaft mit der ſchönſten Gabe, mit der Aufrichtigkeit. „O „jetzt, Karl,“ ſagt' er, „wäre ſie wohl anders „gegen Dich — mein Vater reiſet mit ihr und „Du wirſt ſie ſehen.“ — Er gieng Hand in Hand ſchneller mit ihm einer dunklen Baum¬ gruppe zu, um im Schatten die zart-erröthen¬ de Seele zu öffnen. „Nimm mein theuerſtes „Geheimniß hin, (fieng er an) — aber ſprich „nicht davon — und nicht mit mir— erräthſt

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/44>, abgerufen am 23.11.2024.