Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

ihn an ihren alten Besuch in Blumenbühl und
fragte nach den Seinigen. Er machte jetzt gern
etwas, das so feurig war wie sein Inneres --
Lobeserhebungen. Es ist gegen den feinsten
Ton, Personen -- Sachen darf man -- mit
Heftigkeit zu loben oder zu tadeln. Indem er
mit dankbarer Erinnerung seine Schwester Ra¬
bette malte: versank Julienne so ernst und tief
in sein Auge, daß sie auffuhr und den Lektor
nach den Touren der Anglaise fragte, die er in
der Redoute vorgetanzt. Als er sein Bestes
gethan im Nachschildern: sagte sie, sie habe kein
Wort verstanden, man müss' es lieber exekutiren.

Und hiemit werden plötzlich sämmtliche Le¬
serinnen von mir auf einen Hausball von zwei
Paaren geführt. Sehet die Seelenschwestern
neben einander wie zwei Flügel an Einer
Taube harmonisch auf und nieder fliegen. Al¬
bano hatte erwartet, Julienne werde sich durch
feuriges vielgelenkes Geflatter von dem stillen
Schweben ihrer Freundin unterscheiden; aber
beide walleten gleich Wellen leicht neben und
in einander und keine Regung war zu viel und
keine zu schnell.

ihn an ihren alten Beſuch in Blumenbühl und
fragte nach den Seinigen. Er machte jetzt gern
etwas, das ſo feurig war wie ſein Inneres —
Lobeserhebungen. Es iſt gegen den feinſten
Ton, Perſonen — Sachen darf man — mit
Heftigkeit zu loben oder zu tadeln. Indem er
mit dankbarer Erinnerung ſeine Schweſter Ra¬
bette malte: verſank Julienne ſo ernſt und tief
in ſein Auge, daß ſie auffuhr und den Lektor
nach den Touren der Anglaiſe fragte, die er in
der Redoute vorgetanzt. Als er ſein Beſtes
gethan im Nachſchildern: ſagte ſie, ſie habe kein
Wort verſtanden, man müſſ' es lieber exekutiren.

Und hiemit werden plötzlich ſämmtliche Le¬
ſerinnen von mir auf einen Hausball von zwei
Paaren geführt. Sehet die Seelenſchweſtern
neben einander wie zwei Flügel an Einer
Taube harmoniſch auf und nieder fliegen. Al¬
bano hatte erwartet, Julienne werde ſich durch
feuriges vielgelenkes Geflatter von dem ſtillen
Schweben ihrer Freundin unterſcheiden; aber
beide walleten gleich Wellen leicht neben und
in einander und keine Regung war zu viel und
keine zu ſchnell.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0055" n="47"/>
ihn an ihren alten Be&#x017F;uch in Blumenbühl und<lb/>
fragte nach den Seinigen. Er machte jetzt gern<lb/>
etwas, das &#x017F;o feurig war wie &#x017F;ein Inneres &#x2014;<lb/>
Lobeserhebungen. Es i&#x017F;t gegen den fein&#x017F;ten<lb/>
Ton, Per&#x017F;onen &#x2014; Sachen darf man &#x2014; mit<lb/>
Heftigkeit zu loben oder zu tadeln. Indem er<lb/>
mit dankbarer Erinnerung &#x017F;eine Schwe&#x017F;ter Ra¬<lb/>
bette malte: ver&#x017F;ank Julienne &#x017F;o ern&#x017F;t und tief<lb/>
in &#x017F;ein Auge, daß &#x017F;ie auffuhr und den Lektor<lb/>
nach den Touren der Anglai&#x017F;e fragte, die er in<lb/>
der Redoute vorgetanzt. Als er &#x017F;ein Be&#x017F;tes<lb/>
gethan im Nach&#x017F;childern: &#x017F;agte &#x017F;ie, &#x017F;ie habe kein<lb/>
Wort ver&#x017F;tanden, man mü&#x017F;&#x017F;' es lieber exekutiren.</p><lb/>
          <p>Und hiemit werden plötzlich &#x017F;ämmtliche Le¬<lb/>
&#x017F;erinnen von mir auf einen Hausball von zwei<lb/>
Paaren geführt. Sehet die Seelen&#x017F;chwe&#x017F;tern<lb/>
neben einander wie zwei Flügel an Einer<lb/>
Taube harmoni&#x017F;ch auf und nieder fliegen. Al¬<lb/>
bano hatte erwartet, Julienne werde &#x017F;ich durch<lb/>
feuriges vielgelenkes Geflatter von dem &#x017F;tillen<lb/>
Schweben ihrer Freundin unter&#x017F;cheiden; aber<lb/>
beide walleten gleich Wellen leicht neben und<lb/>
in einander und keine Regung war zu viel und<lb/>
keine zu &#x017F;chnell.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0055] ihn an ihren alten Beſuch in Blumenbühl und fragte nach den Seinigen. Er machte jetzt gern etwas, das ſo feurig war wie ſein Inneres — Lobeserhebungen. Es iſt gegen den feinſten Ton, Perſonen — Sachen darf man — mit Heftigkeit zu loben oder zu tadeln. Indem er mit dankbarer Erinnerung ſeine Schweſter Ra¬ bette malte: verſank Julienne ſo ernſt und tief in ſein Auge, daß ſie auffuhr und den Lektor nach den Touren der Anglaiſe fragte, die er in der Redoute vorgetanzt. Als er ſein Beſtes gethan im Nachſchildern: ſagte ſie, ſie habe kein Wort verſtanden, man müſſ' es lieber exekutiren. Und hiemit werden plötzlich ſämmtliche Le¬ ſerinnen von mir auf einen Hausball von zwei Paaren geführt. Sehet die Seelenſchweſtern neben einander wie zwei Flügel an Einer Taube harmoniſch auf und nieder fliegen. Al¬ bano hatte erwartet, Julienne werde ſich durch feuriges vielgelenkes Geflatter von dem ſtillen Schweben ihrer Freundin unterſcheiden; aber beide walleten gleich Wellen leicht neben und in einander und keine Regung war zu viel und keine zu ſchnell.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/55
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/55>, abgerufen am 21.11.2024.