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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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ganze Scheidung des Verlöbnisses muß ohne
elterliche Einmischung bloß durch die absprin¬
gende Tochter selber zu geschehen scheinen --
und Alles ein Geheimniß bleiben. Froulay
hoffte, vor Lianens früherem Verlobten, dem teut¬
schen Herrn, den ganzen Zwischenakt geheim zu
halten, da er zumal jetzt im August mehr an
den Spieltischen der Bäder als zu Hause war.

So blieb es; und in dieses kalte, schauer¬
liche Geklüft zog die freundliche Liane hinein,
als sie an jenem lebenswarmen Sonntag das
seelige, offne Lilar verließ. Geläutert und ge¬
heiligt von der Freude -- denn jeder Himmel
wurde ihr ein reinigendes Fegefeuer -- kam
sie edel an die Mutterbrust, ohne den fremden
Ernst des Empfangs zu merken vor eignem.
Ihr leichtes Geständniß der Gartengesellschaft
öffnete die harte Szene -- fast in der Kulisse.
Denn die Mutter, die anders anfangen woll¬
te, mußte sogleich auf den Donnerwagen stei¬
gen, um gegen das unbegreifliche Vergessen
der weiblichen Schicklichkeit zu blitzen und zu
donnern; und doch hielt sie die Donnerpferde
mitten im Laufe inne, um Lianen sogleich, da der

Mi¬

ganze Scheidung des Verlöbniſſes muß ohne
elterliche Einmiſchung bloß durch die abſprin¬
gende Tochter ſelber zu geſchehen ſcheinen —
und Alles ein Geheimniß bleiben. Froulay
hoffte, vor Lianens früherem Verlobten, dem teut¬
ſchen Herrn, den ganzen Zwiſchenakt geheim zu
halten, da er zumal jetzt im Auguſt mehr an
den Spieltiſchen der Bäder als zu Hauſe war.

So blieb es; und in dieſes kalte, ſchauer¬
liche Geklüft zog die freundliche Liane hinein,
als ſie an jenem lebenswarmen Sonntag das
ſeelige, offne Lilar verließ. Geläutert und ge¬
heiligt von der Freude — denn jeder Himmel
wurde ihr ein reinigendes Fegefeuer — kam
ſie edel an die Mutterbruſt, ohne den fremden
Ernſt des Empfangs zu merken vor eignem.
Ihr leichtes Geſtändniß der Gartengeſellſchaft
öffnete die harte Szene — faſt in der Kuliſſe.
Denn die Mutter, die anders anfangen woll¬
te, mußte ſogleich auf den Donnerwagen ſtei¬
gen, um gegen das unbegreifliche Vergeſſen
der weiblichen Schicklichkeit zu blitzen und zu
donnern; und doch hielt ſie die Donnerpferde
mitten im Laufe inne, um Lianen ſogleich, da der

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[112/0124] ganze Scheidung des Verlöbniſſes muß ohne elterliche Einmiſchung bloß durch die abſprin¬ gende Tochter ſelber zu geſchehen ſcheinen — und Alles ein Geheimniß bleiben. Froulay hoffte, vor Lianens früherem Verlobten, dem teut¬ ſchen Herrn, den ganzen Zwiſchenakt geheim zu halten, da er zumal jetzt im Auguſt mehr an den Spieltiſchen der Bäder als zu Hauſe war. So blieb es; und in dieſes kalte, ſchauer¬ liche Geklüft zog die freundliche Liane hinein, als ſie an jenem lebenswarmen Sonntag das ſeelige, offne Lilar verließ. Geläutert und ge¬ heiligt von der Freude — denn jeder Himmel wurde ihr ein reinigendes Fegefeuer — kam ſie edel an die Mutterbruſt, ohne den fremden Ernſt des Empfangs zu merken vor eignem. Ihr leichtes Geſtändniß der Gartengeſellſchaft öffnete die harte Szene — faſt in der Kuliſſe. Denn die Mutter, die anders anfangen woll¬ te, mußte ſogleich auf den Donnerwagen ſtei¬ gen, um gegen das unbegreifliche Vergeſſen der weiblichen Schicklichkeit zu blitzen und zu donnern; und doch hielt ſie die Donnerpferde mitten im Laufe inne, um Lianen ſogleich, da der Mi¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/124>, abgerufen am 26.11.2024.