Göttliche -- was übrigens rührend war in Lianens Bezug, ließ er an seinen Ort gestellt, da er jetzt zu mahlen hatte. Häßlich leckten sei¬ ne vielfarbigen Panther-Augen gleich rothen, schar¬ fen Tyger-Zungen über das süße, weiche Antlitz! -- "Liebe Justa, hör' auf, das Lesen wird Dir sau¬ "er, Du athmest so kurz!" sagte sie endlich, weil sie den Portraitmahler athmen hörte. Es war für ihn kein Opfer, sondern ein Vor-Genuß, ein süßer Imbis, den Kuß dieser zarten, kleinen Hand und Lippe und die ganze Schaustellung seines brennenden Herzens hinauszusetzen bis er ihren Abriß mit den Gift-Tinten auf das weisse Elfenbein durch die schnelle Dupfma¬ schine seiner Hand abpunktiret sah.
Endlich hatt' er sie Bunt auf Weiß. "Gut, "liebe Justa, (sagte sie,) die Gebetglocke läutet, "Du kannst Nichts mehr sehen. -- Führe mich "lieber zum Instrument." -- nehmlich zur Har¬ monika. Sie thats. Bouverot gab Justen einen Scheide-Wink -- sie thats wieder. Der gelbe Gartenkanker lief nun auf die zarte, weisse Blu¬ me zu. -- Der Kanker hörte ihren Abend¬
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Göttliche — was übrigens rührend war in Lianens Bezug, ließ er an ſeinen Ort geſtellt, da er jetzt zu mahlen hatte. Häßlich leckten ſei¬ ne vielfarbigen Panther-Augen gleich rothen, ſchar¬ fen Tyger-Zungen über das ſüße, weiche Antlitz! — „Liebe Juſta, hör' auf, das Leſen wird Dir ſau¬ „er, Du athmeſt ſo kurz!“ ſagte ſie endlich, weil ſie den Portraitmahler athmen hörte. Es war für ihn kein Opfer, ſondern ein Vor-Genuß, ein ſüßer Imbis, den Kuß dieſer zarten, kleinen Hand und Lippe und die ganze Schauſtellung ſeines brennenden Herzens hinauszuſetzen bis er ihren Abriß mit den Gift-Tinten auf das weiſſe Elfenbein durch die ſchnelle Dupfma¬ ſchine ſeiner Hand abpunktiret ſah.
Endlich hatt' er ſie Bunt auf Weiß. „Gut, „liebe Juſta, (ſagte ſie,) die Gebetglocke läutet, „Du kannſt Nichts mehr ſehen. — Führe mich „lieber zum Inſtrument.“ — nehmlich zur Har¬ monika. Sie thats. Bouverot gab Juſten einen Scheide-Wink — ſie thats wieder. Der gelbe Gartenkanker lief nun auf die zarte, weiſſe Blu¬ me zu. — Der Kanker hörte ihren Abend¬
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Göttliche — was übrigens rührend war in
Lianens Bezug, ließ er an ſeinen Ort geſtellt,
da er jetzt zu mahlen hatte. Häßlich leckten ſei¬
ne vielfarbigen Panther-Augen gleich rothen, ſchar¬
fen Tyger-Zungen über das ſüße, weiche Antlitz! —
„Liebe Juſta, hör' auf, das Leſen wird Dir ſau¬
„er, Du athmeſt ſo kurz!“ ſagte ſie endlich, weil
ſie den Portraitmahler athmen hörte. Es war
für ihn kein Opfer, ſondern ein Vor-Genuß,
ein ſüßer Imbis, den Kuß dieſer zarten, kleinen
Hand und Lippe und die ganze Schauſtellung
ſeines brennenden Herzens hinauszuſetzen bis
er ihren Abriß mit den Gift-Tinten auf das
weiſſe Elfenbein durch die ſchnelle Dupfma¬
ſchine ſeiner Hand abpunktiret ſah.
Endlich hatt' er ſie Bunt auf Weiß. „Gut,
„liebe Juſta, (ſagte ſie,) die Gebetglocke läutet,
„Du kannſt Nichts mehr ſehen. — Führe mich
„lieber zum Inſtrument.“ — nehmlich zur Har¬
monika. Sie thats. Bouverot gab Juſten einen
Scheide-Wink — ſie thats wieder. Der gelbe
Gartenkanker lief nun auf die zarte, weiſſe Blu¬
me zu. — Der Kanker hörte ihren Abend¬
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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/255>, abgerufen am 27.11.2024.
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