wurde in der letztern tiefen Fallgrube des Schick¬ sals ganz muthlos angetroffen, so daß er Lia¬ nen, die auch darin gefangen war, nicht auf¬ fraß, sondern sie ziehen ließ. Die ganze Ge¬ schichte wurde vor dem Publikum wie die Mau¬ er eines Parks sehr verdeckt und umblümt. Nur der Lektor wußte sie ganz, aber er konnte schwelgen. Er foderte im Nahmen der Mutter vom deutschen Herrn das Miniaturbild zurück; dieser gab an dessen Statt kalte, leere Lügen; doch konnte Augusti, von Mutter und Tochter gebeten, sich beherrschen und die Ausfoderung, womit er für alles Rache nehmen wollte, ihnen opfern.
Unsern Freund traf jetzt, seitdem sein Ge¬ wissen über den Zufall des Erfolgs besänftigt war, der Schmerz über seine leere Gegenwart neu und unvermischt; die theuerste Seele gieng ihn nichts mehr an; seine Stunden wurden nicht mehr harmonisch vom Glockenspiel der Dichtkunst und Liebe ausgeschlagen sondern einförmig von der Thurmuhr der Alltäglichkeit. Daher flüchtete er sich zu Männern und zur Freundschaft, gleichsam unter die neben dem
wurde in der letztern tiefen Fallgrube des Schick¬ ſals ganz muthlos angetroffen, ſo daß er Lia¬ nen, die auch darin gefangen war, nicht auf¬ fraß, ſondern ſie ziehen ließ. Die ganze Ge¬ ſchichte wurde vor dem Publikum wie die Mau¬ er eines Parks ſehr verdeckt und umblümt. Nur der Lektor wußte ſie ganz, aber er konnte ſchwelgen. Er foderte im Nahmen der Mutter vom deutſchen Herrn das Miniaturbild zurück; dieſer gab an deſſen Statt kalte, leere Lügen; doch konnte Auguſti, von Mutter und Tochter gebeten, ſich beherrſchen und die Ausfoderung, womit er für alles Rache nehmen wollte, ihnen opfern.
Unſern Freund traf jetzt, ſeitdem ſein Ge¬ wiſſen über den Zufall des Erfolgs beſänftigt war, der Schmerz über ſeine leere Gegenwart neu und unvermiſcht; die theuerſte Seele gieng ihn nichts mehr an; ſeine Stunden wurden nicht mehr harmoniſch vom Glockenſpiel der Dichtkunſt und Liebe ausgeſchlagen ſondern einförmig von der Thurmuhr der Alltäglichkeit. Daher flüchtete er ſich zu Männern und zur Freundſchaft, gleichſam unter die neben dem
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wurde in der letztern tiefen Fallgrube des Schick¬
ſals ganz muthlos angetroffen, ſo daß er Lia¬
nen, die auch darin gefangen war, nicht auf¬
fraß, ſondern ſie ziehen ließ. Die ganze Ge¬
ſchichte wurde vor dem Publikum wie die Mau¬
er eines Parks ſehr verdeckt und umblümt.
Nur der Lektor wußte ſie ganz, aber er konnte
ſchwelgen. Er foderte im Nahmen der Mutter
vom deutſchen Herrn das Miniaturbild zurück;
dieſer gab an deſſen Statt kalte, leere Lügen;
doch konnte Auguſti, von Mutter und Tochter
gebeten, ſich beherrſchen und die Ausfoderung,
womit er für alles Rache nehmen wollte, ihnen
opfern.
Unſern Freund traf jetzt, ſeitdem ſein Ge¬
wiſſen über den Zufall des Erfolgs beſänftigt
war, der Schmerz über ſeine leere Gegenwart
neu und unvermiſcht; die theuerſte Seele gieng
ihn nichts mehr an; ſeine Stunden wurden
nicht mehr harmoniſch vom Glockenſpiel der
Dichtkunſt und Liebe ausgeſchlagen ſondern
einförmig von der Thurmuhr der Alltäglichkeit.
Daher flüchtete er ſich zu Männern und zur
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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/264>, abgerufen am 28.11.2024.
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