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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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Das letzte oder siebente Kapitel seines Räu¬
berromans ist sehr kurz und widersprechend.
Den dritten Tag besucht' er sie in ihrem Gar¬
ten, war zärtlich, vernünftig, nüchtern, zu¬
rückhaltend als wär' er ein Ehemann. Da er
sie voll Kummer fand, den sie doch nur halb
aussprach: so kam er aus Angst für ihre Ge¬
sundheit mehrmals wieder; und als diese nicht
im Geringsten gelitten, blieb er -- weg. Ge¬
gen Albano war er während besagter Angst
demüthig; und nach derselben wie sonst, aber
nicht lange. Denn als seine Schwester, die er
vielleicht unter allen Menschen am reinsten liebte,
durch Albano's Wildheit erblindete: warf er, eben
wegen der Ähnlichkeit der Schuld, auf diesen ei¬
nen wahren Haß und etwas Ähnliches auf alle des¬
sen Verwandte. Rabette bekam jetzt Nichts wei¬
ter von ihm als -- Briefe und Entschuldigun¬
gen, kurze Gemählde seiner wilden Natur, die
freien Spiel-Raum haben müsse und die einer
fremden angeheftet, diese bloß eben so sehr mit
der Kette zerschlagen und drücken müsse als
sich selber. Alle Einwürfe Rabettens wußt' er
so gut zu heben, da sie nur in Worten, und

Das letzte oder ſiebente Kapitel ſeines Räu¬
berromans iſt ſehr kurz und widerſprechend.
Den dritten Tag beſucht' er ſie in ihrem Gar¬
ten, war zärtlich, vernünftig, nüchtern, zu¬
rückhaltend als wär' er ein Ehemann. Da er
ſie voll Kummer fand, den ſie doch nur halb
ausſprach: ſo kam er aus Angſt für ihre Ge¬
ſundheit mehrmals wieder; und als dieſe nicht
im Geringſten gelitten, blieb er — weg. Ge¬
gen Albano war er während beſagter Angſt
demüthig; und nach derſelben wie ſonſt, aber
nicht lange. Denn als ſeine Schweſter, die er
vielleicht unter allen Menſchen am reinſten liebte,
durch Albano's Wildheit erblindete: warf er, eben
wegen der Ähnlichkeit der Schuld, auf dieſen ei¬
nen wahren Haß und etwas Ähnliches auf alle des¬
ſen Verwandte. Rabette bekam jetzt Nichts wei¬
ter von ihm als — Briefe und Entſchuldigun¬
gen, kurze Gemählde ſeiner wilden Natur, die
freien Spiel-Raum haben müſſe und die einer
fremden angeheftet, dieſe bloß eben ſo ſehr mit
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ſich ſelber. Alle Einwürfe Rabettens wußt' er
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[277/0289] Das letzte oder ſiebente Kapitel ſeines Räu¬ berromans iſt ſehr kurz und widerſprechend. Den dritten Tag beſucht' er ſie in ihrem Gar¬ ten, war zärtlich, vernünftig, nüchtern, zu¬ rückhaltend als wär' er ein Ehemann. Da er ſie voll Kummer fand, den ſie doch nur halb ausſprach: ſo kam er aus Angſt für ihre Ge¬ ſundheit mehrmals wieder; und als dieſe nicht im Geringſten gelitten, blieb er — weg. Ge¬ gen Albano war er während beſagter Angſt demüthig; und nach derſelben wie ſonſt, aber nicht lange. Denn als ſeine Schweſter, die er vielleicht unter allen Menſchen am reinſten liebte, durch Albano's Wildheit erblindete: warf er, eben wegen der Ähnlichkeit der Schuld, auf dieſen ei¬ nen wahren Haß und etwas Ähnliches auf alle des¬ ſen Verwandte. Rabette bekam jetzt Nichts wei¬ ter von ihm als — Briefe und Entſchuldigun¬ gen, kurze Gemählde ſeiner wilden Natur, die freien Spiel-Raum haben müſſe und die einer fremden angeheftet, dieſe bloß eben ſo ſehr mit der Kette zerſchlagen und drücken müſſe als ſich ſelber. Alle Einwürfe Rabettens wußt' er ſo gut zu heben, da ſie nur in Worten, und

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/289>, abgerufen am 23.06.2024.