So lang' ein Weib liebt, liebt es in Einem¬ fort -- ein Mann hat dazwischen zu thun --; Liane verwandelte Alles in sein Bild und sei¬ nen Rahmen; dieser Berg, dieses Stübchen, diese für ihn einmal gefährliche Vogelstange, wurden die Pastelstifte zu seinem festen Bilde. Sie kam immer darauf zurück, daß er etwas Besseres verdiene als sie; denn die Liebe ist De¬ muth; der Trauring prangt mit keinem Juwel. Es rührte sie, daß ihn ihr früher Tod betrübe. Da sah sie noch das von Blattern erblindete Mädchen, das er einmal unwissend sich ans Herz gedrückt*); und sie fand sich mit dem Witze der Trauer auch darin der Blinden ähn¬ lich, nicht bloß in der gleichen obwohl kür¬ zern Nacht, die einmal der Schmerz über ihre Augen geworfen.
So sanft wie ihr Ebenbild, der Hesperus, sich in den Abendhorizont des Lebens eintau¬ chend, fand sie ihr Geliebter. Sie konnte nie sogleich aus ihrem Herzen heraus in die über¬
*) Titan I. B. S. 143.
Titan III. B
So lang' ein Weib liebt, liebt es in Einem¬ fort — ein Mann hat dazwiſchen zu thun —; Liane verwandelte Alles in ſein Bild und ſei¬ nen Rahmen; dieſer Berg, dieſes Stübchen, dieſe für ihn einmal gefährliche Vogelſtange, wurden die Paſtelſtifte zu ſeinem feſten Bilde. Sie kam immer darauf zurück, daß er etwas Beſſeres verdiene als ſie; denn die Liebe iſt De¬ muth; der Trauring prangt mit keinem Juwel. Es rührte ſie, daß ihn ihr früher Tod betrübe. Da ſah ſie noch das von Blattern erblindete Mädchen, das er einmal unwiſſend ſich ans Herz gedrückt*); und ſie fand ſich mit dem Witze der Trauer auch darin der Blinden ähn¬ lich, nicht bloß in der gleichen obwohl kür¬ zern Nacht, die einmal der Schmerz über ihre Augen geworfen.
So ſanft wie ihr Ebenbild, der Heſperus, ſich in den Abendhorizont des Lebens eintau¬ chend, fand ſie ihr Geliebter. Sie konnte nie ſogleich aus ihrem Herzen heraus in die über¬
*) Titan I. B. S. 143.
Titan III. B
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So lang' ein Weib liebt, liebt es in Einem¬
fort — ein Mann hat dazwiſchen zu thun —;
Liane verwandelte Alles in ſein Bild und ſei¬
nen Rahmen; dieſer Berg, dieſes Stübchen,
dieſe für ihn einmal gefährliche Vogelſtange,
wurden die Paſtelſtifte zu ſeinem feſten Bilde.
Sie kam immer darauf zurück, daß er etwas
Beſſeres verdiene als ſie; denn die Liebe iſt De¬
muth; der Trauring prangt mit keinem Juwel.
Es rührte ſie, daß ihn ihr früher Tod betrübe.
Da ſah ſie noch das von Blattern erblindete
Mädchen, das er einmal unwiſſend ſich ans
Herz gedrückt *); und ſie fand ſich mit dem
Witze der Trauer auch darin der Blinden ähn¬
lich, nicht bloß in der gleichen obwohl kür¬
zern Nacht, die einmal der Schmerz über ihre
Augen geworfen.
So ſanft wie ihr Ebenbild, der Heſperus,
ſich in den Abendhorizont des Lebens eintau¬
chend, fand ſie ihr Geliebter. Sie konnte nie
ſogleich aus ihrem Herzen heraus in die über¬
*) Titan I. B. S. 143.
Titan III. B
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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/29>, abgerufen am 21.11.2024.
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