Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

fen und drückten einander die Hand, dieser aus
Haß, Albano aus Quaal wie man in Metall
knirscht. Das Zimmer war voll unähnlicher
befeindeter Menschen, die der Tod gleich mach¬
te. Seitwärts sah Albano eine fremde herein¬
geschlichene ihm widrige Gestalt; es war sein
unkenntlicher Vater, dessen große, düstere Au¬
gen scharf und hart auf dem Sohne hafteten. --
Aus dem zweiten Zimmer blickten zwei lange
verschleierte weibliche Gestalten auf die dritte
und sahen kein Gesicht und niemand ihres.

Liane spielte mit den Fingern am Schleier.
Der Abend stand im Zimmer und die Stille
zwischen dem Blitze und dem Donnerschlag.
"Denke an den allmächtigen Gott!" rief Spe¬
ner. -- Sie antwortete nicht -- er sprach weiter:
"an unsere Quelle und an unser Meer, er al¬
"lein steht Dir jetzt im Dunkeln bei, wo Dir die
"Erde und die Menschen aus der Hand entsin¬
"ken und alle Lichter des Lebens." -- Plötzlich
sieng sie an und sagte ganz freudig-leise und
schnell hintereinander, wie wenn der Mensch
im Schlafe spricht, und immer entzückter und
schneller: "Karoline -- hier, hier, Karoline --

B b 2

fen und drückten einander die Hand, dieſer aus
Haß, Albano aus Quaal wie man in Metall
knirſcht. Das Zimmer war voll unähnlicher
befeindeter Menſchen, die der Tod gleich mach¬
te. Seitwärts ſah Albano eine fremde herein¬
geſchlichene ihm widrige Geſtalt; es war ſein
unkenntlicher Vater, deſſen große, düſtere Au¬
gen ſcharf und hart auf dem Sohne hafteten. —
Aus dem zweiten Zimmer blickten zwei lange
verſchleierte weibliche Geſtalten auf die dritte
und ſahen kein Geſicht und niemand ihres.

Liane ſpielte mit den Fingern am Schleier.
Der Abend ſtand im Zimmer und die Stille
zwiſchen dem Blitze und dem Donnerſchlag.
„Denke an den allmächtigen Gott!“ rief Spe¬
ner. — Sie antwortete nicht — er ſprach weiter:
„an unſere Quelle und an unſer Meer, er al¬
„lein ſteht Dir jetzt im Dunkeln bei, wo Dir die
„Erde und die Menſchen aus der Hand entſin¬
„ken und alle Lichter des Lebens.“ — Plötzlich
ſieng ſie an und ſagte ganz freudig-leiſe und
ſchnell hintereinander, wie wenn der Menſch
im Schlafe ſpricht, und immer entzückter und
ſchneller: „Karoline — hier, hier, Karoline —

B b 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0399" n="387"/>
fen und drückten einander die Hand, die&#x017F;er aus<lb/>
Haß, Albano aus Quaal wie man in Metall<lb/>
knir&#x017F;cht. Das Zimmer war voll unähnlicher<lb/>
befeindeter Men&#x017F;chen, die der Tod gleich mach¬<lb/>
te. Seitwärts &#x017F;ah Albano eine fremde herein¬<lb/>
ge&#x017F;chlichene ihm widrige Ge&#x017F;talt; es war &#x017F;ein<lb/>
unkenntlicher Vater, de&#x017F;&#x017F;en große, dü&#x017F;tere Au¬<lb/>
gen &#x017F;charf und hart auf dem Sohne hafteten. &#x2014;<lb/>
Aus dem zweiten Zimmer blickten zwei lange<lb/>
ver&#x017F;chleierte weibliche Ge&#x017F;talten auf die dritte<lb/>
und &#x017F;ahen kein Ge&#x017F;icht und niemand ihres.</p><lb/>
          <p>Liane &#x017F;pielte mit den Fingern am Schleier.<lb/>
Der Abend &#x017F;tand im Zimmer und die Stille<lb/>
zwi&#x017F;chen dem Blitze und dem Donner&#x017F;chlag.<lb/>
&#x201E;Denke an den allmächtigen Gott!&#x201C; rief Spe¬<lb/>
ner. &#x2014; Sie antwortete nicht &#x2014; er &#x017F;prach weiter:<lb/>
&#x201E;an un&#x017F;ere Quelle und an un&#x017F;er Meer, er al¬<lb/>
&#x201E;lein &#x017F;teht Dir jetzt im Dunkeln bei, wo Dir die<lb/>
&#x201E;Erde und die Men&#x017F;chen aus der Hand ent&#x017F;in¬<lb/>
&#x201E;ken und alle Lichter des Lebens.&#x201C; &#x2014; Plötzlich<lb/>
&#x017F;ieng &#x017F;ie an und &#x017F;agte ganz freudig-lei&#x017F;e und<lb/>
&#x017F;chnell hintereinander, wie wenn der Men&#x017F;ch<lb/>
im Schlafe &#x017F;pricht, und immer entzückter und<lb/>
&#x017F;chneller: &#x201E;Karoline &#x2014; hier, hier, Karoline &#x2014;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B b 2<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[387/0399] fen und drückten einander die Hand, dieſer aus Haß, Albano aus Quaal wie man in Metall knirſcht. Das Zimmer war voll unähnlicher befeindeter Menſchen, die der Tod gleich mach¬ te. Seitwärts ſah Albano eine fremde herein¬ geſchlichene ihm widrige Geſtalt; es war ſein unkenntlicher Vater, deſſen große, düſtere Au¬ gen ſcharf und hart auf dem Sohne hafteten. — Aus dem zweiten Zimmer blickten zwei lange verſchleierte weibliche Geſtalten auf die dritte und ſahen kein Geſicht und niemand ihres. Liane ſpielte mit den Fingern am Schleier. Der Abend ſtand im Zimmer und die Stille zwiſchen dem Blitze und dem Donnerſchlag. „Denke an den allmächtigen Gott!“ rief Spe¬ ner. — Sie antwortete nicht — er ſprach weiter: „an unſere Quelle und an unſer Meer, er al¬ „lein ſteht Dir jetzt im Dunkeln bei, wo Dir die „Erde und die Menſchen aus der Hand entſin¬ „ken und alle Lichter des Lebens.“ — Plötzlich ſieng ſie an und ſagte ganz freudig-leiſe und ſchnell hintereinander, wie wenn der Menſch im Schlafe ſpricht, und immer entzückter und ſchneller: „Karoline — hier, hier, Karoline — B b 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/399
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/399>, abgerufen am 24.06.2024.