wenig wie Linda gesehen, wahrscheinlich näher zu mahlen. -- Bald darauf kam Idoine mit dem Ausspruche zurück:
"Wenn der Arzt ein Zeugniß giebt, daß ein Menschen-Leben daran hänge: so muß ich mein Gefühl besiegen." "Gott weiß es, (setzte sie be¬ wegt dazu,) daß ich es eben so willig thue als unterlasse, wenn ich nur erst weiß was recht ist. Es ist meine erste Unwahrheit."
Der Lektor eilte von Schoppe zum Doktor, um von ihm unter vielen Wendungen gerade das schicklichste Zeugniß mitzunehmen.
Schoppe wartete lange und ängstlich -- nach 7 Uhr kam ein Blatt von Augusti: "Hal¬ ten Sie Sich bereit, Punkt 8 Uhr kommt die be¬ wußte Person!" -- Sogleich ließ er, um die Fieberaugen zu schonen, im Krankenzimmer statt der Wachslichter die magische Hänge-Lampe aus Beinglas brennen.
Den kranken Jüngling zündete er mit Ge¬ schichten von Wiedergekommenen noch stärker an, und rieth ihm, mit langen Feuer-Gebeten vor der festen Todespforte zu knieen, damit
wenig wie Linda geſehen, wahrſcheinlich näher zu mahlen. — Bald darauf kam Idoine mit dem Ausſpruche zurück:
„Wenn der Arzt ein Zeugniß giebt, daß ein Menſchen-Leben daran hänge: ſo muß ich mein Gefühl beſiegen.“ „Gott weiß es, (ſetzte ſie be¬ wegt dazu,) daß ich es eben ſo willig thue als unterlaſſe, wenn ich nur erſt weiß was recht iſt. Es iſt meine erſte Unwahrheit.“
Der Lektor eilte von Schoppe zum Doktor, um von ihm unter vielen Wendungen gerade das ſchicklichſte Zeugniß mitzunehmen.
Schoppe wartete lange und ängſtlich — nach 7 Uhr kam ein Blatt von Auguſti: „Hal¬ ten Sie Sich bereit, Punkt 8 Uhr kommt die be¬ wußte Perſon!“ — Sogleich ließ er, um die Fieberaugen zu ſchonen, im Krankenzimmer ſtatt der Wachslichter die magiſche Hänge-Lampe aus Beinglas brennen.
Den kranken Jüngling zündete er mit Ge¬ ſchichten von Wiedergekommenen noch ſtärker an, und rieth ihm, mit langen Feuer-Gebeten vor der feſten Todespforte zu knieen, damit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0424"n="412"/>
wenig wie Linda geſehen, wahrſcheinlich näher<lb/>
zu mahlen. — Bald darauf kam Idoine mit<lb/>
dem Ausſpruche zurück:</p><lb/><p>„Wenn der Arzt ein Zeugniß giebt, daß ein<lb/>
Menſchen-Leben daran hänge: ſo muß ich mein<lb/>
Gefühl beſiegen.“„Gott weiß es, (ſetzte ſie be¬<lb/>
wegt dazu,) daß ich es eben ſo willig thue als<lb/>
unterlaſſe, wenn ich nur erſt weiß was recht iſt.<lb/>
Es iſt meine erſte Unwahrheit.“</p><lb/><p>Der Lektor eilte von Schoppe zum Doktor,<lb/>
um von ihm unter vielen Wendungen gerade<lb/>
das ſchicklichſte Zeugniß mitzunehmen.</p><lb/><p>Schoppe wartete lange und ängſtlich —<lb/>
nach 7 Uhr kam ein Blatt von Auguſti: „Hal¬<lb/>
ten Sie Sich bereit, Punkt 8 Uhr kommt die be¬<lb/>
wußte Perſon!“— Sogleich ließ er, um die<lb/>
Fieberaugen zu ſchonen, im Krankenzimmer ſtatt<lb/>
der Wachslichter die magiſche Hänge-Lampe<lb/>
aus Beinglas brennen.</p><lb/><p>Den kranken Jüngling zündete er mit Ge¬<lb/>ſchichten von Wiedergekommenen noch ſtärker<lb/>
an, und rieth ihm, mit langen Feuer-Gebeten<lb/>
vor der feſten Todespforte zu knieen, damit<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[412/0424]
wenig wie Linda geſehen, wahrſcheinlich näher
zu mahlen. — Bald darauf kam Idoine mit
dem Ausſpruche zurück:
„Wenn der Arzt ein Zeugniß giebt, daß ein
Menſchen-Leben daran hänge: ſo muß ich mein
Gefühl beſiegen.“ „Gott weiß es, (ſetzte ſie be¬
wegt dazu,) daß ich es eben ſo willig thue als
unterlaſſe, wenn ich nur erſt weiß was recht iſt.
Es iſt meine erſte Unwahrheit.“
Der Lektor eilte von Schoppe zum Doktor,
um von ihm unter vielen Wendungen gerade
das ſchicklichſte Zeugniß mitzunehmen.
Schoppe wartete lange und ängſtlich —
nach 7 Uhr kam ein Blatt von Auguſti: „Hal¬
ten Sie Sich bereit, Punkt 8 Uhr kommt die be¬
wußte Perſon!“ — Sogleich ließ er, um die
Fieberaugen zu ſchonen, im Krankenzimmer ſtatt
der Wachslichter die magiſche Hänge-Lampe
aus Beinglas brennen.
Den kranken Jüngling zündete er mit Ge¬
ſchichten von Wiedergekommenen noch ſtärker
an, und rieth ihm, mit langen Feuer-Gebeten
vor der feſten Todespforte zu knieen, damit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/424>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.