Letztere nicht bloß zu ihrem Wiederschein, son¬ dern auch zu ihrem Nachhall haben. Sie wol¬ len, mein' ich, nicht bloß die Mine, auch das Wort bejahend.
Albano bestrafte sich mit einigen Tagen frei¬ williger Entfernung, bis die unreinen Wolken aus ihm weggezogen wären, die den Sonnen¬ zeiger seines Innern verschattet hatten. Bin ich ganz heiter und gut, sagt' er, so geh' ich wieder zu ihr und irre nie mehr. Er irret jetzt; ist ein fremder, unheimlicher Halbton ein¬ mal zwischen alle Harmonieen zweier Wesen wie¬ derkehrend durchgedrungen, so schwillt er im¬ mer feindlicher an und übertäubt den Grund¬ ton und endigt Alles. Der Scheideton war hier die Stärke der männlichen Tonart ne¬ ben der Stärke der weiblichen. Aber die höchste Liebe verwundet sich am leichtesten am kleinsten Unterschied. O, dann, hilft es wenig, wenn der Mensch zu sich sagt: ich will mich ändern. Nur im schönsten, unverletzten En¬ thusiasmus setzt er sich es vor; aber eben im verletzten, wo er kaum des Vorsatzes fähig
Letztere nicht bloß zu ihrem Wiederſchein, ſon¬ dern auch zu ihrem Nachhall haben. Sie wol¬ len, mein' ich, nicht bloß die Mine, auch das Wort bejahend.
Albano beſtrafte ſich mit einigen Tagen frei¬ williger Entfernung, bis die unreinen Wolken aus ihm weggezogen wären, die den Sonnen¬ zeiger ſeines Innern verſchattet hatten. Bin ich ganz heiter und gut, ſagt' er, ſo geh' ich wieder zu ihr und irre nie mehr. Er irret jetzt; iſt ein fremder, unheimlicher Halbton ein¬ mal zwiſchen alle Harmonieen zweier Weſen wie¬ derkehrend durchgedrungen, ſo ſchwillt er im¬ mer feindlicher an und übertäubt den Grund¬ ton und endigt Alles. Der Scheideton war hier die Stärke der männlichen Tonart ne¬ ben der Stärke der weiblichen. Aber die höchſte Liebe verwundet ſich am leichteſten am kleinſten Unterſchied. O, dann, hilft es wenig, wenn der Menſch zu ſich ſagt: ich will mich ändern. Nur im ſchönſten, unverletzten En¬ thuſiasmus ſetzt er ſich es vor; aber eben im verletzten, wo er kaum des Vorſatzes fähig
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0058"n="46"/>
Letztere nicht bloß zu ihrem Wiederſchein, ſon¬<lb/>
dern auch zu ihrem Nachhall haben. Sie wol¬<lb/>
len, mein' ich, nicht bloß die Mine, auch das<lb/>
Wort bejahend.</p><lb/><p>Albano beſtrafte ſich mit einigen Tagen frei¬<lb/>
williger Entfernung, bis die unreinen Wolken<lb/>
aus ihm weggezogen wären, die den Sonnen¬<lb/>
zeiger ſeines Innern verſchattet hatten. Bin<lb/>
ich ganz heiter und gut, ſagt' er, ſo geh' ich<lb/>
wieder zu ihr und irre nie mehr. Er irret<lb/>
jetzt; iſt ein fremder, unheimlicher Halbton ein¬<lb/>
mal zwiſchen alle Harmonieen zweier Weſen wie¬<lb/>
derkehrend durchgedrungen, ſo ſchwillt er im¬<lb/>
mer feindlicher an und übertäubt den Grund¬<lb/>
ton und endigt Alles. Der Scheideton war<lb/>
hier die Stärke der männlichen Tonart ne¬<lb/>
ben der Stärke der weiblichen. Aber die<lb/>
höchſte Liebe verwundet ſich am leichteſten am<lb/>
kleinſten Unterſchied. O, dann, hilft es wenig,<lb/>
wenn der Menſch zu ſich ſagt: ich will mich<lb/>
ändern. Nur im ſchönſten, unverletzten En¬<lb/>
thuſiasmus ſetzt er ſich es vor; aber eben<lb/>
im verletzten, wo er kaum des Vorſatzes fähig<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[46/0058]
Letztere nicht bloß zu ihrem Wiederſchein, ſon¬
dern auch zu ihrem Nachhall haben. Sie wol¬
len, mein' ich, nicht bloß die Mine, auch das
Wort bejahend.
Albano beſtrafte ſich mit einigen Tagen frei¬
williger Entfernung, bis die unreinen Wolken
aus ihm weggezogen wären, die den Sonnen¬
zeiger ſeines Innern verſchattet hatten. Bin
ich ganz heiter und gut, ſagt' er, ſo geh' ich
wieder zu ihr und irre nie mehr. Er irret
jetzt; iſt ein fremder, unheimlicher Halbton ein¬
mal zwiſchen alle Harmonieen zweier Weſen wie¬
derkehrend durchgedrungen, ſo ſchwillt er im¬
mer feindlicher an und übertäubt den Grund¬
ton und endigt Alles. Der Scheideton war
hier die Stärke der männlichen Tonart ne¬
ben der Stärke der weiblichen. Aber die
höchſte Liebe verwundet ſich am leichteſten am
kleinſten Unterſchied. O, dann, hilft es wenig,
wenn der Menſch zu ſich ſagt: ich will mich
ändern. Nur im ſchönſten, unverletzten En¬
thuſiasmus ſetzt er ſich es vor; aber eben
im verletzten, wo er kaum des Vorſatzes fähig
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/58>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.