tief in Süden und Osten greift ein schimmerndes Nebelland, die Küste von Sorento, wie ein ge¬ krümmter Jupiters-Arm, um das Meer und hinter dem fernen Neapel steht der Vesuvius mit ei¬ ner Wolke im Himmel unter dem Mond. "Fall' auf Deine Kniee, Glückseeliger, (sagte Dian) vor der kostbaren Weite!" O Gott, warum nicht ernstlich es thun? Wer kann denn im Abendscheine das ungeheuere Wellen-Reich anschauen, wie dort das Regen sich in der Ferne stillt und nur glänzt und endlich blau und golden mit dem Himmel verschwebt, und wie hier die Erde das weiche schwebende Feuer mit ihren langen Ländern in einen rosigen fe¬ sten Erdschatten einschliesset, wer kann den Feuerregen des unendlichen Lebens, den weben¬ den Zauberkreis aller Kräfte im Wasser, im Himmel auf der Erde erblicken, ohne niederzu¬ knieen vor dem unendlichen Natur-Geiste und zu sagen: wie bist du mir so nahe, Unaus¬ sprechlicher! -- O hier ist er in der Nähe und Ferne, die Seeligkeit und die Hoffnung schim¬ mert von der Nebel-Küste her, und auch aus den nahen Quellen, die das Gebürge in das
tief in Süden und Oſten greift ein ſchimmerndes Nebelland, die Küſte von Sorento, wie ein ge¬ krümmter Jupiters-Arm, um das Meer und hinter dem fernen Neapel ſteht der Veſuvius mit ei¬ ner Wolke im Himmel unter dem Mond. „Fall' auf Deine Kniee, Glückſeeliger, (ſagte Dian) vor der koſtbaren Weite!“ O Gott, warum nicht ernſtlich es thun? Wer kann denn im Abendſcheine das ungeheuere Wellen-Reich anſchauen, wie dort das Regen ſich in der Ferne ſtillt und nur glänzt und endlich blau und golden mit dem Himmel verſchwebt, und wie hier die Erde das weiche ſchwebende Feuer mit ihren langen Ländern in einen roſigen fe¬ ſten Erdſchatten einſchlieſſet, wer kann den Feuerregen des unendlichen Lebens, den weben¬ den Zauberkreis aller Kräfte im Waſſer, im Himmel auf der Erde erblicken, ohne niederzu¬ knieen vor dem unendlichen Natur-Geiſte und zu ſagen: wie biſt du mir ſo nahe, Unaus¬ ſprechlicher! — O hier iſt er in der Nähe und Ferne, die Seeligkeit und die Hoffnung ſchim¬ mert von der Nebel-Küſte her, und auch aus den nahen Quellen, die das Gebürge in das
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Nebelland, die Küſte von Sorento, wie ein ge¬
krümmter Jupiters-Arm, um das Meer und hinter
dem fernen Neapel ſteht der Veſuvius mit ei¬
ner Wolke im Himmel unter dem Mond. „Fall'
auf Deine Kniee, Glückſeeliger, (ſagte Dian)
vor der koſtbaren Weite!“ O Gott, warum
nicht ernſtlich es thun? Wer kann denn im
Abendſcheine das ungeheuere Wellen-Reich
anſchauen, wie dort das Regen ſich in der
Ferne ſtillt und nur glänzt und endlich blau
und golden mit dem Himmel verſchwebt, und
wie hier die Erde das weiche ſchwebende Feuer
mit ihren langen Ländern in einen roſigen fe¬
ſten Erdſchatten einſchlieſſet, wer kann den
Feuerregen des unendlichen Lebens, den weben¬
den Zauberkreis aller Kräfte im Waſſer, im
Himmel auf der Erde erblicken, ohne niederzu¬
knieen vor dem unendlichen Natur-Geiſte und
zu ſagen: wie biſt du mir ſo nahe, Unaus¬
ſprechlicher! — O hier iſt er in der Nähe und
Ferne, die Seeligkeit und die Hoffnung ſchim¬
mert von der Nebel-Küſte her, und auch aus
den nahen Quellen, die das Gebürge in das
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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/116>, abgerufen am 04.12.2024.
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